„Friede den Menschen…“ – Weihnachtspredigt 2016

Meine Lieben,

„Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ – Diese Botschaft der Engel auf den Hirtenfeldern von Bethlehem, dieses Hoffnungswort der Heiligen Nacht, es scheint heute zu schön, um wahr zu sein. Wir stehen noch – gemeinsam mit vielen in unserem Lande – unter dem Eindruck des furchtbaren Attentats von Berlin. In weihnachtlicher Vorfreude waren dort Menschen auf dem Markt, nur wenige Schritte von der Gedächtniskirche entfernt, als das Unvorstellbare geschah. Mit aller todbringenden Gewalt schien für den weihnachtlichen Frieden kein Platz mehr zu sein.

Und doch: Das ist nur einer von vielen Schauplätzen voller Terror, Krieg und Gewalt weltweit in diesen Tagen, an diesem Weihnachtsfest: Ich denke auch an die Menschen in Aleppo. Seit Jahren wütet dort der Krieg. Sechs Monate wurde die Stadt nun fast ununterbrochen bombardiert. Der Waffenstillstand scheint brüchig. Die Evakuierungen sind begleitet von Angst und Grauen.

Ich denke aber auch an die Menschen in Afghanistan, an die Einheimischen, aber auch an die Soldatinnen und Soldaten aus unserem Land, die dort – auch an diesem Weihnachtsfest – versuchen dem Frieden zu dienen.

Ich denke an die Menschen in der Ukraine, die in einer tief verworrenen politischen Situation täglich neu in Furcht vor der Geißel des Krieges leben.

Ich denke an die Menschen in Eritrea und Somalia. Flüchtlinge haben mir selbst von ihrer Heimat erzählt; haben berichtet von den Schrecken, die in unseren Nachrichten längst nicht mehr vorkommen.

Ich denke an die geschundenen Menschen in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents.

Ich denke an die Menschen in Nordkorea, auf den Philippinen, in Pakistan und Bangladesch und vielen weiteren Teilen des großen asiatischen Kontinents, die ebenso aufgerieben werden in Systemen voller Korruption und Gewalt, wie die unzählige Männer, Frauen und Kinder in weiten Teilen von Mittel- und Südamerika.

Ich denke aber auch an die Gewalt und all das Leid, das oft genug Tür an Tür mit uns allen hier existiert. Ich denke an jene, die auch hier in unserem Land ihre Tage in Angst verbringen müssen, die keine Zukunft mehr sehen, die oft keine Kraft mehr zum Leben haben.

„Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ – Können wir angesichts von alldem überhaupt Weihnachten feiern? Diese Frage ist berechtigt. Ich kann sie für mich heute so beantworten: WEIHNACHTEN ist heuer vielleicht noch wichtiger denn je. Wir müssen nur bereit sein, das eigentliche Wunder der Heiligen Nacht zu erkennen.

Draußen im Stall, am Rande der Gesellschaft, bei den Marginalisierten, bei den vom Leben geschlagenen, bei denen, denen die Härten des Lebens, Angst und Tränen nicht unbekannt waren, bei ihnen geschah dieses Wunder der Heiligen Nacht. Ihnen galt zuallererst die Botschaft, die bis heute so unglaublich erscheint: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“

Meine Lieben,

können wir wirklich in diesem Sinne, in dieser Hoffnung, in dieser tiefen inneren Grundhaltung heute Weihnachten feiern? Viele, die sich in diesen Tagen lautstark und perfide selber als Retter des Abendlandes ausgeben wollen, haben es offenbar nicht verstanden. Sie feiern dieses angeblich „deutscheste aller Feste“ und bleiben doch bei der Äußerlichkeit der Lichter zur Wintersonnwende, die mit Geschenken garniert wird.

WEIHNACHTEN ist mehr, unendlich viel mehr. WEIHNACHTEN ist die göttliche Liebe, die Mensch wird, im Kind im Stall. WEIHNACHTEN ist die Liebe, die zuerst zu denen kommt, die sonst längst nichts mehr von dieser Welt zu erhoffen haben. WEIHNACHTEN will mir heute zeigen, dass wir für vieles in dieser Welt endlich Grenzen brauchen:

Wir brauchen eine Grenze für den sinnlosen Hass und die Gewalt, hier in unserem Land und überall in der Welt.

Wir brauchen eine Grenze für die Produktion und den Export tödlicher Waffen, die Terror und Gewalt erst möglich machen.

Wir brauchen Grenzen für ein oft zutiefst ungerechtes Wachstum der Wirtschaft, das oft genug die Ursache ist für grenzenloses Elend, für Leid und Tod unzähliger.

Wir brauchen Grenzen im Blick auf die hemmungslose Ausbeutung von Menschen und ihrer Arbeitskraft, aber auch Grenzen im Blick auf die Ausbeutung der Natur, damit auch künftige Generationen auf diesem schönen Planeten noch leben können.

Wir brauchen Grenzen für alles, was diese Welt immer noch dunkler und kälter, unmenschlicher und lebensfeindlicher werden lässt.

Aber WEIHNACHTEN lehrt mich auch, dass es eines nicht braucht: Es braucht keine Obergrenze der Menschlichkeit, der Solidarität und der Nächstenliebe, wenn ich wirklich an den glaube, der aus Liebe zu allen Menschen selber Mensch geworden ist im Stall von Bethlehem. Dann kann auch heute noch wahr werden, was einst die Engel verkündet haben: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“

Ich wünsche Ihnen allen von Herzen gnadenreiche, gesegnete, friedvolle Weihnachten!

(Text/Bild: Witti)

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