In Memoriam Prof. Dr. Franz Mußner

Beim Requiem für Prof. Dr. Dr. h. c. Franz Mußner, dem größten Sohn der Pfarrgemeinde Feichten, hielt Dompropst Dr. Michael Bär im Hohen Dom zu Passau folgende Predigt:

Baer - Beerdigung MussnerAm 31. Januar, gestern vor fünf Wochen haben wir den 100. Geburtstag von Franz Mußner gefeiert. Vor allem über den Besuch unseres Bischofs Stefan Oster hat er sich sichtlich gefreut. Auf diesen Tag hat er hingelebt als Senior der Passauer Priesterschaft und so mancher hat wohl gemutmaßt, ob er danach bald sterben werde. Und tatsächlich ist es so gekommen. Am vergangenen Donnerstag Nachmittag ist er ganz friedlich eingeschlafen, wie mir eine Schwester aus dem Caritas-Altenheim nachdrücklich bestätigt hat.

Am Vormittag hatte er noch Besuch von seinem Landsmann Dompropst in Ruhe Hans Wagenhammer. Sogar die Heilige Messe hat er um 10.00 Uhr noch mitgefeiert, wenn auch bereits sehr müde und schläfrig.

Die biblischen Texte, die heute vorgelesen wurden, sind die Texte des Tages, ausgewählt von der Kirche. „Wer als Hundertjähriger stirbt, gilt noch als jung“, heißt es bei Jesaja, freilich hat er das volle Alter erreicht. Die Vision spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, die dem Volk Gottes verheißen ist. Die Freude löst die Klage ab. Das Leben in Gott blüht den Gläubigen. Franz Mußner durfte dies in einem irdischen Leben in Fülle erfahren.

Anläßlich seines Jubel-Geburtstages fand in Regensburg veranstaltet von der dortigen Katholisch-Theologischen Fakultät eine Festakademie statt. Sein Meister-Schüler Prof. Dr. Michael Theobald von der Universität Tübingen hat ihn als einen Wegbereiter der katholischen Bibeltheologie beschrieben.

Beim anschließenden Empfang fragte mich ein Wiener Professor, ob uns Passauern bewußt sei, welche bedeutende Persönlichkeit wir mit Franz Mußner in unseren Reihen hätten.

Ja. Franz Mußner war ein außergewöhnlicher Priester. In seinen Lebenserinnerungen beschreibt er seine Berufung. Selbst ist er als kleiner Bube auf den Gedanken gekommen, ein Geistlicher zu werden. Als man dem Kaplan, dem späteren Domdekan Dr. Baumgärtler davon erzählte, erwiderte dieser: „Red’s eam doch des aus, aus dem wird ja doch nix. Da studiert er a paar Jahr, dann freit’n s’arbeitn nimmer.“ Soviel zur damaligen Berufungspastoral.

Doch Mußner ging seinen Weg. Von den 60 Abiturienten der Absolvia 1936 am Leopoldinum, übrigens war auch mein Onkel der spätere Pfarrer Michael Bär darunter, von den 60 sind 29 im Krieg gefallen. Schon als Gymnasiast verspürte Franz Mußner eine Sehnsucht nach wissenschaftlicher Betätigung. Sein Kaplan Alois Winklhofer, später Professor für Dogmatik in Passau, leitete ihn dazu an, wie auch die Begegnung mit dem Grattersdorfer Pfarrer DDr. Max Schwarz, der ihm die Augen für die Literatur öffnete. Vor allem Friedrich Hölderlin hatte es ihm angetan. Als Soldat diente Mußner von 1939 bis 1944 und brachte es bis zum Offizier, als er als wehrunwürdiger Priesteramtskandidat aus dem Heer entlassen wurde.

Kaum zu Hause empfing er in Passau am 2. April 1945 die Priesterweihe. Seinen Wunsch nach weiteren Studien erfüllte Bischof Simon Konrad Landersdorfer gerne. Und bei Friedrich Wilhelm Maier promovierte er über das Thema „ΖΩΗ, die Anschauung vom Leben im vierten Evangelium.“ Die heutige Leseordnung schenkt uns auch hier einen passenden Text. Dem totkranken Sohn des königlichen Beamten von Kafarnaum schenkt Jesus das Leben. Doch erst durch die Bekehrung seines ganzen Hauses kommt das Leben in Fülle in seine Familie.

Mußners Auseinandersetzung mit moderner Theologie und Philosophie war sein Beitrag, die durch die Ideologie des Nationalsozialismus und durch den Zweiten Weltkrieg darniederliegende Heimat wieder mit aufzubauen.

Sein Instrument dazu war die Heilige Schrift. Er erschloss Generationen von Studenten die Bibel in Trier und später in Regensburg.

Bischof Antonius Hofmann rief ihn zum 1. Januar 1978 als Domkapitular heim nach Passau, um ihn als theologischen Berater zu gewinnen. Ich erinnere mich an eine Visitation, die er in meiner Heimatpfarrei durchgeführt hat. Ich als Theologiestudent durfte ihn von Passau nach Ramsdorf chauffieren und staunte, dass der gelehrte und hohe Herr keinen Führerschein besaß. Die Art seiner Visitationen beschrieb er in seinen Lebenserinnerungen: „Im Unterschied zu früheren Zeiten sollten wir nicht Kontrolle über die Pfarrer ausüben, sondern sie in ihrer Arbeit als Seelsorger unterstützen, eine sehr positive Aufgabe.“

Vierzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Domkapitular Mußner mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet aufgrund seiner Verdienste um die Aussöhnung zwischen Christen und Juden. Die jüdischen Wurzeln Jesu hat er behutsam aufgedeckt und ins Bewußtsein gehoben. Sein „Traktat über die Juden“ ist zum Standardwerk geworden, das in viele Sprachen übersetzt wurde.

Mußner nahm an den jährlichen Treffen der Schüler seines Regensburger Professorenkollegen Josef Ratzinger teil. Der emeritierte Papst selbst nannte ihn einen Meister, inmitten seiner Schüler. Die daraus resultierende Freundschaft mit Benedikt XVI. pflegten die beiden bis zum Schluss.

Doch Mußner war nicht nur gelehrter Professor, sondern verstand es, als prägnanter Prediger die Ergebnisse seiner Forschung auch in die Verkündigung einzubringen. „Das Wesen des Christentums ist synesthiein, miteinander essen.“ Dieser typische Mußner-Satz prägte sich mir unvergesslich ein, entlarvend einfach und doch so tief in seiner Wahrheit.

Zudem war Franz Mußner nicht nur ein Mann des Schreibtisches, sondern des Betschemels. Sein Brevier müßte man im Requiem herzeigen, flüsterte mir ein Bewohner des Caritas-Altenheimes zu. Dem sieht man wirklich an, dass er es tagtäglich in Händen gehalten und daraus gebetet hat.

Liebe Schwestern und Brüder, als Propst des Domkapitels danke ich allen von Herzen, die sich in den letzten Jahren liebevoll um unseren Mitbruder Franz Mußner angenommen haben: Den Schwestern und Pflegern im Caritas-Altenheim Mariahilf, seinen Freunden, vor allem auch der Familie von Prof. Dr. Konrad Glas und seinen Verwandten aus Feichten.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seinem lieben Freund Franz zum 100. Geburtstag gratuliert. Seinen Brief schließt er mit bewegenden Worten: „Nun stehen wir beide am Tor der Ewigkeit, und ich wünsche Dir von Herzen, daß der Herr Dir gütig die Tür auftut in sein Reich hinein, in dem Du dann alles sehen und verstehen wirst, wonach Du ein Leben lang gefragt hast. Ich hoffe, dass wir dann bald wieder beieinander sein werden.“

Franz Mußner hat nun diese Tür durchschritten. Ein herausragender Theologe, ein eifriger Priester, ein unermüdlicher Helfer der Versöhnung beim geistigen Wiederaufbau unseres Landes.

Gott möge es ihm vergelten und ihm bei sich die ΖΩΗ das ewige Leben in Fülle schenken. Amen.

Mußner 2001 Maria Himmelf.Das Bistum Passau blickt so auf Franz Mußner zurück:

Es war uns eine Ehre diesen Mann als Priester und Gelehrten in unserem Bistum zu haben. Franz Mußner war unser ältester Priester, und einer der wichtigsten deutschsprachigen Bibelforscher der nachkonziliaren Ära, sagte Bischof Dr. Stefan Oster SDB. Er galt als herausragender Bibelwissenschaftler und war eine große Persönlichkeit des jüdisch-christlichen Dialogs. Der emeritierte Neutestamentler an der Universität Regensburg und Ehrendoktor der Universität Passau sowie Domkapitular und Apostolischer Protonotar im Ruhestand verbrachte seinen Lebensabend im Caritas-Seniorenheim auf Mariahilf.

Durch seine Kriegserfahrung hat sich Franz Mußner zur Lebensaufgabe gemacht, eingeschliffene Antijudaismen in der christlichen Lektüre des Neuen Testamentes abzubauen und die Aussöhnung voranzutreiben. Das Buch „Traktat über die Juden“, übersetzt in sechs Weltsprachen, brachte ihm 1985 die „Buber-Rosenzweig-Medaille“ ein. Das Neue Testament war Mußners große Leidenschaft. Seine Forschungsarbeiten sah er stets als Dienst für die Kirche. Gelebter Glaube und Lehre gehörten für ihn unlösbar zusammen. Geprägt hat er den Satz: „Das Wesen des Christentums ist synesthien (miteinander essen).“ Die Eucharistie, das Zentrum seines priesterlichen Wirkens, war für ihn eine gemeinschaftliche Mahlfeier, ein Fest der Auferstehung.

Franz Mußner wurde am 31. Januar 1916 in Feichten an der Alz geboren. 1944 wurde er als „wehrunwürdiger“ katholischer Theologiestudent aus dem Kriegsdienst entlassen. Der Kriegseinsatz und der Nationalsozialismus haben ihn misstrauisch gegenüber politischen Parolen und hellsichtig für den Völkermord an den Juden gemacht. In den Wirren des Kriegsendes wurde er am 2. April 1945 in Passau zum Priester geweiht. 1950 erfolgte die theologische Promotion in München. Nach dem Erwerb des Lizentiats am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom und der Habilitation 1952 war Mußner kurz Privatdozent in München und anschließend zwölf Jahre Professor in Trier. Von 1965 an bis zur Emeritierung 1981 lehrte er als Professor für neutestamentliche Exegese in Regensburg. Von da an war er mit dem früheren Dogmatikprofessor und jetzigen Papst em. Benedikt XVI. befreundet. So hieß es in der Anrede in den Briefen aus Rom: „Lieber Freund Mußner“.
1978 wurde er mit der besonderen Aufgabe eines „Theologus Canonicus“, eines theologischen Beraters des Bischofs, in das Passauer Domkapitel berufen. Das Amt übte er offiziell bis 1987 aus. Zudem war er Berater der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Consultor des Vatikanischen Einheitssekretariats und Diözesanvertreter des Vereins vom Heiligen Land sowie Mitglied des wissenschaftlichen Rats der Katholischen Akademie in Bayern. Papst em. Benedikt XVI. würdigte sein Wirken und er ernannte ihn zum Apostolischen Protonotar.

 

(Text: Dr. Bär/Bistum Passau; Bilder: Archiv Feichten/Bistum Passau)

 

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