Warum ruft Jesus Fischer und keine Straßenbauer? – Predigt 14. So. i. J. 2016

Fischer - LimmerMeine Lieben,

ein Fischer an der Atlantikküste im Nordosten Brasiliens stellt beim Bibelgespräch die Frage: „Warum berief Jesus Fischer wie Petrus zu seinen Aposteln?“ Darauf antwortet ein anderer Fischer: „Wer sich zu Lande bewegt, baut Straßen aus Beton und Asphalt. Und er wird immer wieder diesen Weg benutzen. Ein Fischer aber sucht die Fische dort, wo sie sind. Deshalb sucht er jeden Tag einen neuen Weg, um die Fische ausfindig zu machen. Es kann sein, dass der Weg von gestern nicht zu den Fischen von heute führt.“

Sind wir hier in unserer Pfarrgemeinde auch solche Fischer, oder sind wir oft nicht eher Straßenbauer, „Betonierer“, die sich sehr schwer damit tun gewohnte Pfade zu verlassen und neu auf ganz neue Menschen zuzugehen? „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Diesem Wort Jesu stimmen die Verantwortlichen in unseren Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen sicher ebenso gerne zu, wie die meisten unserer Pfarrangehörigen. Und sehr rasch ist dann häufig zu hören, dass früher alles anders war, dass es so nicht weitergehen könne, dass am besten wieder jede Pfarrei ihren eigenen Seelsorger brauche und dass es einfach nicht gehe, wenn drei Hauptamtliche vier Pfarreien betreuen müssen, die sich zudem noch über 25 Kilometer Länge auf zwei Landkreisen und fünf Kommunen erstrecken… Und wer weiß, wie es in den nächsten Jahren noch weitergeht..? Aber ob Jesus das auch so gemeint hat? Ich habe da ehrlich gesagt so meine leisen Zweifel…

Jesus war kein Personalchef in einem Bischöflichen Ordinariat. Er hat keine Aus- und Fortbildungspläne für seinen Mitarbeiterstab gemacht und auch keine strategische Personalplanung betrieben. Jesus hat Menschen angesprochen, oft mitten auf der Straße, immer mitten im Leben. Er hat niemals etwas darüber gesagt, wie eine Pfarrgemeinde „personell zu versorgen“ sei. Er hat überhaupt nie von Pfarreien geredet. Er sprach ausschließlich vom Reich Gottes, das es aufzubauen gilt – und zwar mit ALLEN, nicht mit drei Hauptamtlichen, die das dann gefälligst für fünfeinhalbtausend andere zu erledigen haben. Wie fundamental falsch ein Kirchenbild ist, bei dem sich alles um Priester und Hauptamtliche dreht, hat unser Papst Franziskus schon vor drei Jahren klargestellt. Er sagte bei einer großen Audienz:

„Niemand ist unnütz in der Kirche! Und wenn jemand zufällig sagt, jemand von euch: ,Aber du, geh nach Hause, du bist unnütz‘, ist das nicht wahr! Niemand ist unnütz in der Kirche: wir sind alle wichtig, um diesen Tempel aufzubauen. Niemand ist nebensächlich. Und wenn jemand sagt: ,Aber ich, ich bin der wichtigste in der Kirche!‘ – nein! In Gottes Augen sind wir alle gleich, alle, alle! Jemand von euch kann sagen: ,Aber hören Sie, Herr Papst, Sie sind uns aber doch nicht gleichwertig?!‘ Doch, ich bin wie jeder von euch, wir sind alle gleich, wir sind alle Brüder! Niemand ist anonym: Wir alle formen die Kirche und bauen sie auf.“

Meine Lieben,

wenn nun Jesus – auch heute noch – sagt „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“, dann geht es ihm sicherlich nicht nur um die statistischen Nachwuchszahlen bei den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und hauptamtlichen Mitarbeitern. Die Kirche hat seit Jahren nicht nur einen großen Priestermangel, sondern einen mindestens ebenso großen „Gläubigenmangel“ – und damit meine ich nicht nur die leer bleibenden Kirchenbänke. Wir haben einen spürbaren Mangel an Männern und Frauen, an Jungen und Alten, die mit ihren Talenten und Fähigkeiten, mit ihren Geistesgaben und ihrer Begeisterung heute und morgen am Reich Gottes mitbauen wollen, statt nur darauf zu warten, pfarrlich möglichst bequem rundumversorgt zu werden.

Hier im Pfarrverband wollen wir daher in den Gremien in der nächsten Zeit bewusst damit aufhören, nur immer über Termine und Organisatorisches zu reden. Wir wollen das Reich Gottes entdecken und die vielen, die – oft unbewusst – daran mitarbeiten. Ich bin überzeugt, dass unendlich viele mit Kopf, Herz und Hand im Sinne Jesu in dieser Welt wirken, auch wenn sie uns als Kirche mit ihrem Tun niemals in Verbindung bringen würden. Wir wollen uns hier in nächster Zeit bewusst mit der Enzyklika „Laudato si“ auseinandersetzen. Wir wollen spüren, was die großartigen ökologischen und sozialen Überlegungen von Papst Franziskus für die Menschen hier in unserem Pfarrverband bedeutet. Wir wollen hinschauen, wo wir selber womöglich einen Lebensstil pflegen, der der Ökologie dieses Planeten schadet, der soziale Kälte und globale Armut fördert. Ich bin mir sicher, je ehrlicher wir das tun, desto mehr Menschen werden wir entdecken, die sich hier ebenso engagieren, auch wenn sie sich selber vielleicht nie als besonders „christlich“ ansehen würden. So können wir mit Kraft, Fantasie, Offenheit und Liebe neu lernen auf die Menschen zuzugehen. Kirche ist mehr, viel mehr, als nur die Gottesdienstgemeinde eine Stunde pro Woche. Kirche, das sind Männer und Frauen, Junge und Alte, die im Leben Gottes Spuren sichtbar machen, weil sie ganz konkret versuchen, seine Liebe und Barmherzigkeit zu leben.

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter.“ – Franziskus zeigt uns einen Weg, wie wir alle an Gottes Reich mit bauen könnten. Wir müssen nur dazu bereit sein. Wir müssen – um Gottes Willen – nur bereit sein, es wie die Fischer zu machen: Wir müssen bereit sein, jeden Tag einen neuen Weg zu den Menschen zu suchen, denn es kann gut sein, dass die Wege von gestern uns längst nicht mehr zu den Menschen von heute führen.

Amen.

(Text: Witti/Foto: Limmer)

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