Pfarrbrief

28 Das war ungefähr acht Tagesmärsche entfernt. Also machten wir uns auf nach Bethlehem. Ich trug Maria auf meinem Rücken und ich spürte genau, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihr Kind zur Welt kommen sollte. Hoffentlich würden wir es bis dorthin noch schaffen. Wir schafften es, aber – damit hatten wir nicht gerechnet: Bethlehem war voll mit Fremden, die sich ebenfalls in Steuerlisten eintragen lassen mussten. Es gab im ganzen Ort kein freies Zimmer, ja nicht einmal mehr ein freies Bett. Wir klopften an viele Türen, aber überall gab es nur Absagen. Manche Wirte lachten uns aus. Niemand konnte oder wollte den jungen Mann mit der hochschwangeren Frau aufnehmen. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als uns der kleine Sohn einer Wirtin doch noch hinterherlief und rief: „Ihr könnt in dem alten Stall am Rande der Felder übernachten.“ Das nahmen wir gerne an. Der Stall war klein, aber dadurch war es auch angenehm warm. Denn die Nächte hier in Palästina können ganz schön kalt werden. Ein alter Ochse lebte darin, der war sehr freundlich und machte gerne Platz für uns. Er stellte uns sogar seine Futterkrippe zur Verfügung, damit Maria ihr Baby dort hineinlegen konnte. Und so kam es, dass Maria in dieser Nacht ihr Kind, einen kleinen Jungen zur Welt brachte. Den Sohn Gottes, in einem Stall! Sie legte ihn dann in die Futterkrippe des Ochsen. Das alles musste sie übrigens ziemlich alleine hinbekommen. Denn Josef war zwar sehr liebevoll und umsorgte sie sehr, aber als Geburtshelfer war er nur bedingt tauglich. Na ja und ich – hatte vier linke Hufe… In der gleichen Nacht zog plötzlich ein großer und wunderbar leuchtender Stern über unserem Stall auf. Und kaum war er da, kamen auch schon Hirten von den Feldern angelaufen. Ich machte mich sofort bereit, Maria und den kleinen Jesus zu beschützen, um gegebenenfalls mit meinen Hinterläufen kräftig auszutreten. Denn – ihr müsst wissen – Hirten galten damals als Gesindel, es waren sozusagen die Niedrigsten unter den Niedrigen, die meistens noch nicht einmal ein Dach überm Kopf hatten für die Nacht. Aber diese Hirten waren freundlich, ja mehr noch – sie waren begeistert. Der Stern, der strahlend am Himmel stand, spiegelte sich förmlich in ihren Augen wieder. Sie erzählten, dass ihnen auf dem Feld bei den Herden Engel erschienen waren und gesagt hatten, der Messias sei geboren worden. Sie sollten dem Stern folgen, um ihn zu begrüßen. Das ließen sich die Hirten nicht zwei Mal sagen – und hier waren sie nun. Verschwitzt und verschmutzt – aber voller Glauben und Sehnsucht in ihren Herzen. Wenn ich mich so zurückerinnere – das war schon seltsam, wen Gott sich da als ersten Besuch an der Krippe auserwählt hatte. Aber das war wohl sein Programm. Später hat Jesus oft gesagt, dass er zu den Armen und Kranken geschickt worden sei. Ach übrigens, später – Josef hatte in einer der nächsten Nächte wieder einen Traum und dieses Mal sagte ihm der Engel, er solle Mutter und Kind schnell nehmen und mit ihnen nach Ägypten fliehen. Das taten wir dann auch. Noch nie bin ich so schnell gelaufen – aber ich wollte die beiden unbedingt in Sicherheit bringen. Das haben wir dann auch geschafft. Wir blieben viele Jahre dort und der kleine Jesus wuchs heran. Später haben wir uns dann aus den Augen verloren – aber wisst Ihr was? Als Jesus nach Jerusalem gezogen ist und die Leute ihm Hosianna zuriefen, war es mein Sohn, der ihn auf seinem Rücken trug.“ Foto: Limmer

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