Kostbarkeit am Karfreitag: Walder Grabchristus von Itzlfeldner

IMG_1914Es ist eine Kostbarkeit, die vielen Waldern so wohl gar nicht bewusst ist. Maria Pfundstein, Mitglied des Pfarrgemeinderates und anerkannte Kennerin der Walder Ortsgeschichte, verwies zum Karfreitag 2015 auf einen Artikel von Fritz Demmel (Oettinger Land, Band 23/2003). Unter der Überschrift „Ein unbekannter Grabchristus von Johann Georg Itzlfeldner“ ist der im Folgenden wiedergegebene und hochinteressante Beitrag zu finden:

In unserem Bild der Barockzeit bildet das Gebiet des späteren Landkreises Altötting zwar keinen „weißen Fleck“ in der kunsthandwerklichen Generalkarte Bayerns, aber zumindest einen wenig bekannten.[1] Adelige und Geistliche vergaben Aufträge an die Regionalmeister der benachbarten Städte und Märkte, an die bayerischen aus Burghausen etwa oder Trostberg und Traunstein ebenso, wie an die salzburgischen aus Mühldorf, Laufen oder Tittmoning. Die „Salzburger“ hatten aber den Vorteil, dass die Kirchenprovinz des Erzstiftes weit in das Territorium Kurbayerns hinein reichte.

Mehrmals im „bayerischen Ausland“ war der Bildhauer aus Tittmoning, Johann Georg Itzlfeldner (+ 1790) tätig. Auf dessen Leben und Gesamtwerk kann hier nicht näher eingegangen werden.[2] Im Jahr 1728 kaufte sich Itzlfeldner als Tittmoninger Bürger ein, wurde Mitglied in der örtlichen Josefi-Bruderschaft und später der Rosenkranzbruderschaft. Er arbeitete in erster Linie für Kirchen im Auftrag der Pfarrer, Bruderschaften oder privater „Gutthäter“. Erstmals auf bayerischem Boden arbeitete er 1740 für die Kirche St. Veit in Kirchweidach, gelegen in der Herrschaft Wald.[3]

IMG_1913Die Schlosskapelle St. Erasmus in Wald an der Alz was als Filiale der Pfarrei Halsbach dem Kloster Raitenhaslach inkorporiert; so nahm der damalige Abt Robert Pendtner auch Anteil an der Neugestaltung. Im Jahr 1741 wurde eine neue Ausstattung angeschafft:

„Nachdem eine äußerist nothwendigkeit zu seinnn erachtet worden, anstatt des alt voranden gewesten einen neuen Hochaltar errichten, dann die Canzl demselben auch gleichformig mit aller hierzu erforderlichkeiten herzustellen … auch das Chor: und Frauenaltärl massen dies letztere Herr Prölath zu Raittenhaslach zur sonderheitlichen Devotion Unser Lieben Frau gratis hergegeben und selbes auf aigene Cossten. Auf feiniste fassen lassen.“[4]

Den Hochaltar fertigten die damaligen Bayern: Der Braunauer Schreinermeister Josef Albrecht und der Burghauser Bildhauer Johann Jacob Schnabl, sowie der Maler Caspar Störr aus Mattighofen im Innviertel. Vasa Sacra für den Hochaltar lieferte der Tittmoninger Itzlfeldner, außerdem „zu dem Frauenaltärl schueppen mit Quasten zu einem Palakin verners zwei Engel mit der Sonn und Mond, so ander zierathen machen lassen.“

Weiter fertigte er 1744 einen vom Burghauser Maler Ignatz Andreas Dünzl gefassten Tabernakel zur Einsetzung des „heil. Creuz Particuls“ und die Statuen der Mutter Anna und des hl. Josef in einer Höhe von etwa 60 Zentimetern (19 Gulden 36 Kreuzer), im darauf folgenden Jahr einen weiteren vergoldeten Baldachin. Einen „Vorsetztabernakel“ für den Frauenaltar stellte Itzelfeldner 1747 in Rechnung (1 Gulden 30 Kreuzer).

Beim Bau der Orgelempore 1754 ist der Tittmoninger Bildhauer in besonderer Weise an der Emporenbrüstung beschäftigt: Er empfing fünf Gulden, weil der „die Prust Pankh mit Stuckhador Arbeit formblich ausgeziert“. Diese, der Forschung unbekannt gebliebene Stuckierung setzt natürlich ebenso, wie die in Tittmoning, die leider zerstörte von Engelsberg voraus und vor allem die virtuose Feichtener Empore mit dem an den österreichischen Barock eines Johann Lucas von Hildebrandt erinnernden geflügelten Hermes (Atlas).

Auftraggeber oder zumindest Vermittler in allen Fällen war Johann Leopold Sechser, zwischen 1741 und 1768 kurfürstlicher Pfleger der Kabinettsherrschaft Wald. Er durfte auch in der 1649 gegründeten Rosenkranzbruderschaft Feichten eine führende Stellung innegehabt haben, war er doch auch an der Messstiftung von 1761 beteiligt. Itzelfeldner seinerseits war Mitglied der Tittmoninger Rosenkranzbruderschaft.

Für die Filialkirche St. Georg und Nikolaus in Garching, damals zur Herrschaft Wald gehörig, lieferte Itzelfeldner1745 einen vergoldeten Rahmen zu einem Baldachin. Itzlfeldners besondere Bildhauerarbeiten für den Sieben-Schmerzen-Bruderschaftsaltar in Engelsberg (Landkreis Traunstein) aus den Jahren 1752 und 1753 sind in der Literatur[5] seit längerem bekannt. Als Beleg der zeitlich letzten Arbeit in unserem Gebiet erscheint die Engelsberger Quittung des Bildhauers Johann Georg Itzlfeldner aus dem Jahr 1757 über 8 Gulden für zwei Pyramiden „das Opfer drein zu häfften.“ Nach dieser Zeit ist es schwer für ihn und scheinbar unmöglich, in dieser Gegend gegen das Künstlertriumvirat des „Trostberger Rokoko“ Kapfer, Soll und Mayr anzukommen.

Im Jahr 1773 entwirft er das vollständige Heilige Grab für Traunwalchen (Lkr. Traunstein), das sich in Grundzügen erhalten hat. In der Ausstellung „Sein Grab wird herrlich sein“ im Traunsteiner Heimathaus wurde im Frühjahr 2003 schließlich noch mal auf den erhaltenen Riss des einzigen bekannten Grabtheaters des Bildhauers Itzlfeldner hingewiesen.

Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass in der Schlosskapelle und späteren Pfarrkirche St. Erasmus in Wald an der Alz (Gem. Garching an der Alz) ein weiterer Grabchristus des Tittmoninger Bildhauers vor IMG_191515 Jahren auf dem Kirchendachboden vom Verfasser entdeckt werden konnte. Wie in Traunwalchen liegt der ausgezehrte Leichnam Christi auf einem kunstvoll drapierten geschnitzten Leichentuch. Der Körper ist ganz entblößt, nur die Scham ist durch einen Tuchzipfel der Unterlage verdeckt. Die Arme liegen leicht gebeugt neben dem Körper, Muskeln und Sehnen treten dabei stark hervor, und aus den Wunden fließt Blut. Die Unterschenkel sind seitlich überkreuzt, die heraustretende linke Ferse identisch. Der Oberkörper ist etwas hochgelagert, der Kopf zurückgesunken, und das gelockte Haar kunstvoll auf dem Tusch ausgebreitet. Das Antlitz ist nicht vom Tod entstellt, sondern wie im Schlaf geglättet. Auf dem Riss für Traunwalchen ist der Körper Christi nur mit wenigen Federstrichen skizziert, die Körperstellung stimmt aber mit den Ausführungen für Traunwalchen und Wald überein.

Zwei roh mit Holznägeln verbundene Holzprügel (Lindenholz) bildeten für den Bildhauer eine formbare Substanz. Frei Farbfassungen liegen auf, die sichtbare aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert und darunter die Originalfassung. Die Holzskulptur wurde 1989 vom ortsansässigen Malermeister Franz Pfundstein gereinigt und gegen Insektenbefall behandelt.

Zwar ist bei aller stilistischen Übereinstimmung die Autorenschaft Itzlfeldners nicht zu bestreiten, doch wissen wir nicht, ob der Walder Grabchristus und das zu vermutende barocke Kulissengrab ursprünglich für die Schlosskapelle angefertigt wurden. Die lückenlos erhaltenen Kirchenrechnungen geben für die anzusetzende Zeit um 1760/1770 keinerlei Auskunft. Dies könnte darin begründet sein, dass es sich um ein Geschenk des frommen Pflegers Leopold Sechser, 1739 Stifter der Walder Schlossmessen, handelte, dem Itzelfeldner durch dessen frühere Arbeiten gut bekannt war.

Es könnte aber auch sein, dass der Grabchristus in Wald seine Zweitverwendung fand, er gewissermaßen als „Rest“ eines Grabes angekauft wurde, um vor langen Jahren in Wald die volksfrömmigen Traditionen des Grabaufstellens wiederzubeleben. Leider enthält die von Pfarrer Josef Stockinger im Jahr 1908 begonnene Pfarrchronik „Gedenkbuch der Pfarrei Wald“ nur den Hinweis auf die Anschaffung eines Heiligen Grabes 1931. Wie Pfarrer Georg Fremd schreibt, geschah die Anschaffung – wohl den noch vorhandenen, einfachen Grabaltares, der vor dem Marienaltar zur Aufstellung kommt – „durch freiwillige Gaben“.

Die Beauftragung Itzelfeldners durch andere Kirchen ist zwar bekannt, aber in der Ausführung eines Heiligen Grabes, mit Ausnahme „Traunwalchen“ nicht nachgewiesen. Die regionale Kunstgeschichtsschreibung bedarf noch weiterer archivalischer Forschungen, um zu klären, für welche Kirche der Itzelfeldner Grabchristus an der Walder Schlosskapelle geschaffen wurde.

IMG_1912(Fotos: Witti)

[1] Eine Begründung liegt darin, dass die Zersplitterung bzw. Zugehörigkeit zu Pfleggerichten, Herrschaften oder Klosterpfarreien eine Vielzahl von Verwaltungen schuf, deren papierene Hinterlassenschaften einem herben Schicksal ausgesetzt waren und – wenn überhaupt – unvollständig auf uns gekommen sind. Umso erfreulicher ist es, dass heuer der Band Altötting in der Reihe „Corpus der Barocken Deckenmalerei in Deutschland“ erschienen ist. Nunmehr sind endlich und allein die gemalten Werke der Meister und der Regionalmeister verständlich erarbeitet. Dieser Beitrag hingegen mag ein kleiner Schritt zu einer Kunsttopografie der Barockbildhauer im Landkreis Altötting sein, gewidmet dem akademischen Maler, Bundwerkstadelrestaurator und Schöpfer des neuen Heiligen Grabes in Laufen, Siegfried Schamberger, zu seinem 65. Geburtstag. Ad multos annos!

[2] Durch die mühevolle Monografie von Roswitha Preiß aus dem Jahr 1983 wurde Itzlfeldner wieder „entdeckt“. Den Artikel in Thieme-Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler IXX, Leipzig 1926 verfasste Franz Martin.

[3] Diese Arbeit bestand aus zwei Statuen, vier Leuchtern und drei Kruzifixen. Siehe Brenninger Georg: Künstlernachweise aus dem 18. Jahrhundert…, in: Oettinger Land 4; 1984, S. 119.

[4] Vielleicht wurde das Interesse befördert durch den Subprior und späteren Abt AbundusTschan, dessen Mutter Barbara Worlitscheck, aus Wald stammte. Sein Onkel, der Bader Johann Worlitscheck, war 1737 bis 1745 sogar Gerichtsprokurator und dürfte den nachmaligen Pfleger Sechser schon seit dessen Zeit als Gerichtsschreiber (ab 1738) gekannt haben.

[5] Krausen Edgar: Zur Bau- und Kunstgeschichte der Pfarrkirche Engelsberg, In: 20. Und 21. Bericht des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 1961/62, München 1963.

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