Zeit für dich – Predigt 2. Fastensonntag (M. Witti)

SONY DSCMeine Lieben,

es gibt Zeiten, da müsste der Tag 48 Stunden und ich selber mindestens vier Hände haben. Solche Tage kennen Sie sicher auch. Das sind kräftezehrende Zeiten, in denen man ganz für die Arbeit, für bestimmte Aufgaben, oder auch für andere schwierige Belange da sein soll. Es können aber auch Zeiten der Krise oder der Krankheit sein, die Kraft kosten, die einen Menschen mitunter an den Rand des Zusammenbruchs bringen können. Es gibt solche Zeiten im Leben – und wenn sie zu lange dauern, kommt man mitunter an die physischen und psychischen Grenzen.

Gerade in meiner Zeit als Kurseelsorger in Bad Füssing habe ich immer wieder mit Menschen zu tun gehabt, die ganz und gar für bestimmte Aufgaben oder für andere Menschen da waren, bis schließlich sie selber merkten, dass ihre eigenen Kräfte zu Ende gingen. Ich hab dann immer wieder die gleichen Fragen gestellt: Wann tun sie sich selber denn mal etwas Gutes? Was bereitet ihnen im Leben wirkliche Freude?

Ich halte diese Fragen für sehr wichtig, denn gerade in Zeiten persönlicher Belastungen helfen sie, die innere Ausgeglichenheit neu zu finden. Das ist jetzt keine „Schmalspur-Psychologie“ für den Alltagsgebrauch, sondern letztlich eine Botschaft aus dem heutigen Evangeliums von der Verklärung Jesu.

Dem heutigen Evangelium gingen Berichte voran, über viele kräftezehrende Wege Jesus und seiner Jünger. Da waren neben den Wunderheilungen und Predigten auch die Auseinandersetzungen mit denen, die der Botschaft Jesu ablehnend ja feindlich gegen­über­standen. Das kostet Kraft…

Und so tut Jesus mit den Jüngern, die am meisten mit ihm beansprucht waren, genau das, wozu Begleiter auch raten würde: Er nahm „Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg.“

Nach einer intensiven, aber eben auch schwierigen Zeit sollten die drei mit Jesus abschalten, eine neue Erfahrung machen. Sie sollten den Alltag hinter sich lassen, sollten oben auf dem Berg zur Ruhe kommen und neue Kraft schöpfen können. Die Jünger sollten mit Jesus einmal Zeit für sich selbst haben, Zeit, um die Seele einmal baumeln zu lassen.

In dieser bewussten Aus-Zeit, die Jesus den seinen hier schenkt, werden sie dann erst fähig, etwas Neues tief wahrzunehmen. Fernab der vielen Menschen, die Tag für Tag etwas von ihnen wollten, erkennen sie diesen Jesus neu, spüren sie, dass er nicht nur ein „Herr“ und „Rabbi“ ist, wie es viele gibt. Dort auf dem Gipfel haben die drei auch für sich selbst ein „Gipfelerlebnis“. Sie erkennen in Jesus die Mitte, den Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens. Sie spüren ganz tief, dass er der ist, der ihnen Kraft gibt für den Weg, der unten im Tal dann wieder vor ihnen liegt und sie spüren, dass er sie nicht allein lässt auf diesem Weg.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

um solche Erfahrungen machen zu können, braucht der Mensch Aus-Zeiten. Nicht nur der Körper soll dabei zu neuer Kraft kommen. Auch der Geist und die Seele sollen neu offen werden für so vieles, was im Alltag oft nicht wahrgenommen wird, weil Stress und Hektik, oder auch einfach nur das tägliche Einerlei viel zu viel Kraft kosten.

Der Mensch braucht Aus-Zeiten, damit Körper, Geist und Seele wieder in Einklang kommen können, damit ich eine Chance habe, auch Gott selber in meinem Leben wieder zu entdecken. Dafür aber reicht es nicht, sich einfach nur den Jahresurlaub zu nehmen. Es braucht eine Kultur der Ruhe, der Achtsamkeit für sich selber. „Ora et labora!“ – „Bete und arbeite!“ nannte es der heilige Benedikt. Ich brauche den sinnvollen Wechsel von Arbeit und Ruhe, von Geselligkeit und Alleinsein, von Reden und Schweigen, von Aktivität und Gebet.

Ich muss immer wieder lernen, einen freien Tag auch frei sein zu lassen. Ich muss immer wieder neu lernen, mir auch während des Tages Momente der Ruhe und er Besinnung zu gönnen, ohne mir gleich nutzlos oder faul vorzukommen. Denn nur so kann ich auch immer wieder lernen, im Sinne Gottes ganz und gar, mit Köper, Geist und Seele, Mensch zu sein!

Ich wünsche es Ihnen und mir, dass diese Fastenzeit uns beim Ein­üben dieser Lebens-Kultur ein wenig hilft.

Amen.

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