Bin ich ein „follower“ – ein „Jünger“ – Jesu? – Gründonnerstagspredigt

Meine Lieben,
kennen Sie „influencer“? Ich meine jetzt nicht die „Influenza“, die mit der Grippewelle der letzten Wochen auch hier viele außer Gefecht gesetzt hat.
„Influencer“, das ist ein Begriff aus der modernen Medienwelt, aus den sozialen Netzwerken. Er kommt vom Verb „to influence“, was man mit „beeinflussen“ übersetzen kann. Ein „influencer“ ist also jemand, der gezielt andere beeinflussen kann, der neue Trends setzen kann, der Meinungen und Stimmungen bei vielen anderen forcieren kann.
Solche „influencer“ sind in Facebook & Co mit vielen anderen vernetzt. Ihre Blogs, in denen sie ihre Ansichten verbreiten, werden von Tausenden von Anhängern, den sogenannten „followern,“ gelesen. So werden heute Meinungen geprägt. So wird Stimmung gemacht. Das gilt für Musik- oder Modetrends genauso, wie für oft bedenkliche politische Stimmungsmache. Allein der amerikanische Präsident hat ja als „influencer“ über Twitter Millionen von „followern“, von Jüngern, die seine Worte als wahr annehmen und entsprechend handeln.
Mir machen solche „influencer“, solche „Beeinflusser“ der öffentlichen Meinung immer wieder Angst. Gerade extreme politische Ansichten von rechts und von links finden so oft allzu willige „follower“, zu allem bereite „Jünger“ der modernen Medienwelt.
Aber hat es nicht Jesus seinerzeit genauso gemacht? War und ist nicht auch er ein bedeutender „influencer“, einer, der Einfluss hat auf die Meinung unzähliger Menschen bis heute? Hat er nicht, angefangen vom Zwölferkreis, bis heute unzählige „follower“, also Jüngerinnen und Jünger, die sich in seinem Namen auf den Weg machen?
Das stimmt schon – und es zeigt mir, dass es nicht gut ist, Dinge einfach so in Bausch und Bogen zu verdammen. Die Menschen brauchten damals – und sie brauchen heute – solche „influencer“, also andere, die ihnen Wege aufzeigen, auf die sie selber vielleicht nie gekommen wären, oder zu denen sie alleine nie den Mut gehabt hätten.
Der Mensch selber aber muss bei all diesen „influencers“ immer wieder lernen, die Geister kritisch zu unterscheiden, nicht jeder Stimmungsmache blindlings zu folgen.
Das zeigt mir gerade der heutige Gründonnerstag. Jesus ist hier für seine Jünger ein „influencer“ ganz anderer Art. Er propagiert nicht das, was viele Politiker, Promis oder sonstige heute promoten.
Die Botschaft Jesu an seine Jünger beim letzten Abendmahl war eine ganze andere. Er liefert einen Gegenentwurf zur oft so unmenschlichen Welt der Promis, der Mächtigen und derer, die es gerne wäre.
Jesus Weg, den er seinen Jüngern zeigt, ist der Weg nach „unten“. Zeichenhaft vermittelt er das all seinen „followern“ bis heute im Dienst der Fußwaschung und in seinem Vermächtnis in Brot und Wein.
„Ich habe Euch ein Zeigen gegeben, damit auch Ihr so handelt, wie ich an Euch gehandelt habe.“

 

Meine Lieben,
ist Jesus hier für mich so ein „influencer“? Lass ich mich von ihm „beeinflussen“? Bin ich bereit, ihm in diesem ganz anderen Lebensstil zu folgen?
Wenn ich es wenigstens versuche, dann kann ich ihn vielleicht so ähnlich entdecken, wie es Lothar Zenetti einmal beschriebt:
Er lehrte uns die Bedeutung und Würde
des einfachen unansehnlichen Lebens
unten am Boden
unter den armen Leuten
säte er ein
seine unbezwingbare Hoffnung

Er kam nicht zu richten sondern aufzurichten
woran ein Mensch nur immer leiden mag
er kam ihn zu heilen

Wo er war
begannen Menschen freier zu atmen
Blinden gingen die Augen auf
Gedemütigte wagten es zum Himmel aufzuschauen
und Gott
ihren Vater zu nennen
sie wurden wieder Kinder
neugeboren
er rief sie alle ins Leben

Er stand dafür ein
dass keiner umsonst gelebt
keiner vergebens gerufen hat
dass keiner verschwindet namenlos
im Nirgends und Nie
dass der Letzte noch
heimkehren kann als Sohn

Er wurde eine gute Nachricht
im ganzen Land ein Gebet
ein Weg den man gehen
ein Licht
das man in Händen halten kann
gegen das Dunkel

Ein Mensch wie Brot
das wie Hoffnung schmeckt
bitter und süß

Ein Wort das sich verschenkt
das sich dahingibt wehrlos
in den tausendstimmigen Tod
an dem wir alle sterben

Ein Wort
dem kein Tod gewachsen ist
das aufersteht und ins Leben ruft
unwiderstehlich
wahrhaftig dieser war Gottes Sohn1

Amen.

1Aus: Lothar Zenetti, Auf seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht. Matthias-Grünewald Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2011.

(Text: Witti/Bilder: Limmer & Witti)

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