Gaben für das göttliche Kind

Predigt zum „Hochfest der Erscheinung des Herrn“ – Dreikönig 2015 – Pfr. Michael Witti

Dreikönig 1Meine Lieben,

die Geschenke sind längst ausgepackt, an- und ausprobiert – und falls etwas nicht gefallen oder gepasst hat, ist es längst umgetauscht. Weihnachtsgeschenke sind heute echt kein Thema mehr, so möchte man zumindest meinen. Im Gottesdienst hingegen ist erst heute, Hochfest der Erscheinung des Herrn, also am Dreikönigstag, an dem die orthodoxen Kirchen ihr Weihnachtsfest feiern, die Rede von Geschenken.

Nur werden hier nicht – wie wir es an Weihnachten gewohnt sind – die Leute vom Christkind beschenkt. Es sind vielmehr die Weisen, die dem Kind edle Gaben bringen; Geschenke, die auch heute noch bei jedem Staatsbesuch als kostbare Gastgeschenke überreicht werden könnten. Es sind Geschenke von hoher Symbolkraft: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Gold ist – damals wie heute – der Inbegriff der Kostbarkeit. Gold ist werbeständig, überdauert die Zeiten, verzaubert mit seinem Glanz. Gold ist ein wahrhaft königliches Geschenk, eines großen Königs würdig.

Der Weihrauch ist ebenfalls damals wie heute ein kostbares und edles Gut. Aus dem Harz den Weihrauchstrauches gewonnen, mit weiteren Harzen und Dufthölzern vermengt, hat man ihn in früheren Zeiten oftmals fast mit Gold aufgewogen. Die alte „Weihrauchstraße“ war einst ein ähnlich wichtiger Handelsweg, wie etwa die „Seidenstraße“. Der Weihrauch ist ein göttliches Geschenk, Zeichen höchster Verehrung, Symbol des Gebetes, das wie ein Wohlgeruch vor der Gottheit aufsteigen soll. Der Weihrauch ist durch die Jahrtausende menschlicher Kultur immer eine kostbare Gabe den Menschen an Gott.

Schließlich schenkten die Weisen dem Kind noch Myrrhe. Heute können wir damit nicht mehr viel anfangen, aber in der Antike war es eines der wichtigsten und kostbarsten Heilmittel. Es war gewissermaßen ein symbolträchtiges Geschenk für den, durch den vieles in der Welt und bei den Menschen wieder „heil“ werden soll. Es zeichnet das Kind aus als jemanden der Heilung im umfassenden Sinne schenken möchte. Es ist ein kostbares Geschenk an den „Heiland“, auf den Unzählige damals wie heute hoffen.

Gold, Weihrauch und Myrrhe, die drei Gaben der Weisen waren also viel mehr, als nur x-beliebige Geschenke. Es waren Gaben mit höchster Symbolkraft. Man kann sie vielleicht am ehesten vergleichen mit kostbaren Geschenken, die auch heute noch bei Staatsbesuchen überreicht werden. Auch dabei geht es ja heute nicht nur um des sicher vorhandenen materiellen Wert, sondern mehr noch, um die ideelle Aussage, die Symbolik und die Metaphorik, die hinter so einem kostbaren Geschenk steckt.

Es ist also nicht das Christkind, das heute die Menschen beschenkt. Es sind Menschen, die mit ihren sehr bewusst gewählten und kostbaren Gaben heute dieses Kind beschenken – und mit diesen Gaben zeigen sie vor aller Welt, was ihnen dieses Kind bedeutet.

 

Meine Lieben,

was bin ich bereit, diesem Kind zu schenken? Was will ich ihm geben, um ihm und aller Welt – und vor allem auch mir selber – zu zeigen, was es mir bedeutet?

Geb ich ihm Gold? Viele haben ähnliches getan, mit Spenden für die großen Hilfswerke. Unsere Sternsinger legen die gesammelten Spenden symbolisch an der Krippe nieder. So wird denen geholfen, aus deren Augen uns auch heute noch der Mensch gewordene Gott anschaut, der im Stall zur Welt kommen musste.

Geb ich dem Kind Weihrauch? Lass ich mein Gebet vor ihm aufsteigen und nehme ich mir die Zeit, ihn als meinen Gott zu feiern und ihm die Ehre zu erweisen?

Oder gebe ich dem Kind Myrrhe? Bin ich bereit heute heilvoll und heilsam mit Menschen zu leben, für andere da zu sein. Will ich Wunden verbinden, Schmerzen des Leibes oder der Seele lindern?

Alles das wäre möglich. Einen weiteren Vorschlag für ein ganz besonderes und kostbares Geschenk heute macht der ehemalige Limburger Bischof Franz Kamphaus, ein tief spiritueller Seelsorger, der über viele Jahre hinweg als Bischof diese bescheidene Menschlichkeit gelebt hat. Er schreibt folgendes über die „Zeit“, die heute oft das Kostbarste ist, das Menschen hier bei uns so haben:

„Das Beste, was wir mit der Zeit machen können? Wir können sie verschenken. Wir können anderen Zeit schenken: den alten Menschen, den Kindern. Zeit ist Geld? Zeit ist unbezahlbar! Zeit ist mehr Gabe als Geld. Wir können sie zur Gabe machen. Sie kann eines der kostbarsten Geschenke werden. Denn mit der Zeit geben wir nicht etwas, sondern uns selbst. Wer Gott als den Herrn der Zeit bekennt, der ist nicht mehr ein Sklave der Zeit. Die Jahre vergehen. Gott ist im Kommen.“

 

Meine Lieben,

Möglichkeiten für Geschenke gäbe es genügend. Aber bin ich wirklich bereit, es zu machen, wie einst jene Weisen? Bin ich bereit, schweigend, anbetend niederzuknien, mich klein zu machen vor dem kleinen großen Gott? Bin ich bereit, einen Teil meiner Zeit, einen Teil von mir dem zu schenken, der mich auch heute noch aus unzähligen Augen anschauen will? Bin ich bereit?

Amen.

Dreikönig 2

(Text/Bilder: Witti)

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