Was bleibt von Weihnachten?

Predigt zum 2. Sonntag der Weihnachtszeit 2015 – Pfr. Michael Witti

IMG_1617Meine Lieben,

der Christbaum steht noch bei mir daheim und die große Krippenlandschaft ist immer noch ein Blickfang in meinem Wohnzimmer. Bei Ihnen wird es wohl ähnlich sein. Aber nach dem Dreikönigsfest, spätestens aber zu Lichtmess, wird auch das Vergangenheit sein. Der Baum wird entsorgt, die Krippenfiguren verpackt und bis zum nächsten Weihnachtsfest gut verstaut.

Was aber bleibt mir dann noch von Weihnachten?

Ich glaube, mir wird heuer mehr bleiben als sonst. Bei mir wird heuer Weihnachten noch längere Zeit nachklingen, denn ich hab an den Feiertagen einen lieben Brief von einer Mutter bekommen, die mir Ihre Gedanken zum Weihnachtsfest geschrieben hat. Besser, als ich es als zölibaterer Single jemals könnte, beschreibt sie, was Weihnachten – über die Feier hinaus – für ein Leben bedeuten kann. Aber hören sie selbst:

Für mich ist Weihnachten immer der (göttliche) Gegenentwurf zu allen Zeiten der Bedrängnis. Es ist wie ein Schutz für eine Gesellschaft, die aus den Fugen gerät. Jesus kommt, selbst wenn uns alles über den Kopf zu wachsen scheint und die Zeit Probleme aufwirft, die so komplex sind, dass einer alleine komplett überfordert ist. Weihnachten trotzt dieser Bedrängnis, dieser Überforderung und aller Lieblosigkeit. Weihnachten kommt einfach, trotz aller Krisen auf der Welt, trotz aller Konsumwelten, Kaufräuschen – es kommt und unterbricht den scheinbar nicht zu stoppenden Gang der Dinge. Es macht mich resilienter, um mit den Widrigkeiten der Welt umgehen zu können. Und einige Aspekte habe ich erst bei der Geburt unserer Kinder verstanden. Eine Geburt ist immer eine existenzielle Situation. Sie unterbricht in einer Familie alle Abläufe, sie wirbelt alle Wertigkeiten durcheinander. Und egal, wie schlimm es zugeht, neues Leben drängt sich auf diese Welt. Und ist es nicht auch so mit Weihnachten? Weihnachten kommt trotz aller menschlichen Fehler. Und ist das nicht auch unsere christliche Botschaft? Ich meine auch, dass wohl kein Kind – und das zu keiner Zeit – in eine Welt hineinkommt, die ohne Fehler ist. Ein neugeborenes Kind vertraut bedingungslos. Und an Weihnachten? Jesus vertraut sich den Menschen an! Das gibt doch unglaubliche Hoffnung! Und das rührt mich auch in vielen (kitschigen) Weihnachtsliedern an. „Et videamus quod factum est.“ Die Hirten und wir dürfen es sehen, was passiert (und was Tatsache ist): Jesus ist auf der Welt. Die Hirten vermuteten wahrscheinlich keine politische Botschaft, sondern erlebten diese unglaubliche Freude – die Unterbrechung ihres dürftigen Daseins. Weihnachten ist deshalb für mich eigentlich nicht unbedingt der Appell, die Welt zu retten, sondern in erster Linie die glückselige (!) Botschaft, dass Gott in der Welt ist – und wenn es noch so zugeht. Und für mich als Mutter hat Weihnachten und auch so mancher Sonntagsgottesdienst damit etwas ungemein Tröstliches und Beruhigendes. Denn ich kann meinen Kindern nur liebende Begleitung sein. Die chaotische Welt kann ich für sie nur im Kleinen etwas richten, aber an Weihnachten ist tatsächliche Hoffnung geboren worden.“ Soweit dieser Brief.

 

Meine Lieben,

egal was in der Welt und in meinem ganz persönlichen Leben auch kommt, ich darf die Gewissheit haben, dass Gott ganz nahe ist. ER will mich anschauen – auch heute noch – aus den Augen jedes Kindes, das mir begegnet. ER will mich mitten im Chaos dieser Welt immer wieder spüren lassen, dass ER da ist, dass ER mir immer wieder Grund zur echten Freude und zu einer tiefen und gelassenen Hoffnung geben will.

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir alle dieses Geheimnis der Menschwerdung Gottes – weit über die Feiertage hinaus – immer wieder mitten im Leben spüren können.

Ich wünsche Ihnen und mir das sichere Gefühl, dass er bei uns ist, egal was auch kommen mag; ER, der IMMANUEL, der „Gott mit uns“!

Amen.

(Text/Bild: M. Witti)

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