WEIHNACHTSBOTSCHAFT 2013 (M. Witti)

krippe
Meine Lieben,
zur großen Krippe bei mir daheim im Wohnzimmer gehört seit einigen Tagen auch das Feichtener Wirtshaus. Vergeblich stand Josef mit seiner hochschwangeren Maria davor – Herbergssuche, das w…ar mein Krippenmotiv im Advent. Die Tür blieb verschlossen. Hinter strahlenden Häuserfassaden ist kein Platz für die Elenden, für den Bruder aller, die im Elend leben. Maria und Josef zogen weiter zum Stall. Dort, im Inbegriff von Armut und Elend, von Verlassenheit und Ausgestoßensein, bringt Maria inmitten der dunklen Nacht ihr Kind zur Welt.
So ist es heute in meinem Wohnzimmer und in allen Krippen der Welt zu sehen: der dreckige Stall als äußerstes Zeichen menschenunwürdigen Lebens.
Angesichts dieser weihnachtlichen Vorstellung wurde ich auf eine Pressemeldung der kirchlichen Agentur fides . Sie lautete:
„Kinder beneiden das Christkind um seinen Stall“
Der weitere Text hat mich betroffen gemacht: „Tausende syrische Kinder beneiden das Christkind um seinen Stall. Das sagt der maronitische Erzbischof Samir Nassar zu den Bedingungen, unter denen Kinder in Syrien in der Vorweihnachtszeit leben. In seiner Weihnachtsbotschaft beschreibt der maronitische Erzbischof von Damaskus, was die Menschen in Syrien mit Blick auf ein weiteres Weihnachtsfest im Krieg fühlen. „Jesus ist mit seiner Armut nicht alleine“, so der Erzbischof wörtlich. Die syrischen Kinder seien oft sich selbst überlassen angesichts von Szenen der Gewalt. „Sie träumen davon, an der Stelle Jesu zu sein, der immer seine Eltern um sich hat, die für ihn sorgen und ihn streicheln.“ Für viele Familien in Syrien sei die Botschaft des Friedens und der Freude kaum im eigenen Leben vorstellbar: „Der höllische Lärm des Krieges“, so Erzbischof Nassar, „überdeckt den Lobgesang der Engel“.“
So sehr ich die schönen Krippenlandschaften seit Kindertagen auch liebe, so wenig haben diese trauten Darstellungen wohl zu tun mit dem Elend, in dem Unzählige auch in dieser Heiligen Nacht und an diesem Weihnachtsfest leben: Kinder, Frauen und Männer in Syrien, aber auch Flüchtlinge auf Lampedusa und in den anderen Lagern, die sich nach einer besseren Zukunft sehnten, für die in der Herberge Europas aber kein Platz ist; Menschen in unvorstellbarer Armut in den längst vergessenen Krisenregionen und unter den Diktaturen Afrikas; Menschen, die auf den Philippinen im Taifun alles verloren haben; ganze Völker, die durch ein ungerechtes und unmoralisches Weltwirtschaftssystem um ihr Leben und um ihre Zukunft betrogen werden; Menschen, die auch hier bei uns nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, die vom Verlust der Wohnung bedroht sind oder längst auf der Straße leben.
Mancher mag hier kritisieren, dass unsere liebevoll gestalteten Krippenlandschaften das wahre Elend viel zu sehr vertuschen und verschleiern. Aber letztlich lässt sich die weltweite Not und Menschenverachtung, die Heimat- und Herbergslosigkeit in aller Brutalität wohl gar nicht darstellen. So bleiben uns nur die großen – mich fragenden – Augen des Kindes in der Krippe.Meine Lieben,
diese fragenden Augen sind die unbequeme Botschaft von Weihnachten. Weder in den Palästen, noch in den Herbergen und schmucken Bügerhäusern war Platz für Gottes Mensch gewordene Liebe.
Draußen, am Rande der Gesellschaft, bei den vielleicht schon Vergessenen und Abgeschriebenen, dort ist das Wunder der Heiligen Nacht geschehen, – dort ist Gott Mensch geworden.
Wo finde ich ihn heute? Im Lichterglanz festlicher Christbäume und kunstvoll verpackter Geschenke? In der festlichen Stimmung die einmal im Jahr die CD mit den alten Weihnachtslieder verbreiten soll? Im festlichen Essen, das natürlich dazugehört, auch wenn der vorausgegangene Advent längst keine Fastenzeit mehr ist?
Finde ich den Mensch gewordenen und zutiefst menschlichen Gott hier in unseren Kirchen, bei den festlichen Weihnachtsgottesdiensten? Oder gibt er mir hier nur einen Hinweis darauf, wo ich wirklich nach ihm suchen soll?
Will ich ihn überhaupt – so wie die Hirten auf dem Feld – in der Welt von heute suchen?
Hab ich eine Ahnung, wo der Stall, das versteckte Elend, die verschämte Armut hier bei uns in unserer Pfarrgemeinde sein könnte?All diese unbequemen Fragen lese ich heute in den Augen des Kindes von Bethlehem. Bin ich für Weihnachten bereit?
„Der armen Kinder Weihnachtslied“ ist schon über 100 Jahre alt, aber es kann mir auch heute noch zeigen, wie es auch durch mich heute wirklich Weihnachten werden könnte:

Hört, schöne Herrn und Frauen,
die ihr im Lichte seid:
wir kommen aus dem Grauen,
dem Lande Not und Leid;
weh tun uns unsre Füße
und unsre Herzen weh,
doch kam uns eine süße
Botschaft aus Eis und Schnee:
es ist ein Licht erglommen,
und uns auch gilt sein Schein.
Wir haben’s wohl vernommen:
das Christkind ist gekommen
und soll auch uns gekommen sein.

Drum gehen wir zu den Orten,
die hell erleuchtet sind,
und klopfen an die Pforten:
ist hier das Christuskind?
Es hat wohl nicht gefunden
den Weg in unsre Nacht,
drum haben wir mit wunden
Füßen uns aufgemacht,
daß wir ihm unsre frommen
Herzen und Bitten weihn.
Wir haben’s wohl vernommen:
das Christkind ist gekommen
und soll auch uns gekommen sein.

So laßt es uns erschauen,
die ihr im Lichte seid!
Wir kommen aus dem Grauen,
dem Lande Not und Leid;
wir kommen mit wunden Füßen,
doch sind wir trostgemut:
wenn wir das Christkind grüßen,
wird alles, alles gut.
Der Stern, der heut erglommen,
gibt allen seinen Schein:
das Christkind ist gekommen! –
Die ihr es aufgenommen
o, laßt auch uns zu Gaste sein!

Ich wünsche Ihnen von Herzen „wirkliche“, gnadenreiche und gesegnete Weihnachten!

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