Christen müssen sich die Hände schmutzig machen – Predigt 11. So. i. J. 2016

Notfallseelsorger im Katastrophengebiet
Notfallseelsorger im Katastrophengebiet

Meine Lieben,

„Ein guter Priester scheut nicht davor zurück, sich für andere die Hände schmutzig zu machen“, so sagte es Papst Franziskus Anfang Juni vor mehreren tausend Priestern auf dem Petersplatz. Natürlich ist dieser Satz sehr provokant, aber er stimmt auch – und beileibe nicht nur für Priester. Durch das, was ich in den letzten Tagen selber erlebt und gesehen habe, möchte ich Franziskus‘ Worte auf jeden Christen, ja, auf jeden Menschen guten Willens hin verstehen: Man soll sich nicht scheuen, sich für andere die Hände schmutzig zu machen. Der Papst spricht von einem Herzen, das bereit ist, eigene Dinge loszulassen, kein Risiko zu scheuen, ständig „aus sich selbst heraus“ zu gehen und barmherzig zu sein, ohne Gegenleistungen zu erwarten.

Ich durfte in diesen Tagen Menschen erleben, engagierte Helfer, darunter durchaus auch Seelsorgerinnen und Seelsorger, die das oft bis zur persönlichen Erschöpfung getan haben. Am Dienstag und Mittwoch hab ich – gemeinsam mit Nick Pfeiffer – die Notfallseelsorger in Simbach am Inn unterstützt, in jener Stadt, in der ich geboren wurde und eine wunderbare Zeit an der Realschule verbracht habe.

Die Zerstörungen, die ich dort gesehen habe, hatten ein schier apokalyptisches Ausmaß. Am ersten Tag hab ich dabei geholfen, denen, die oft alles verloren hatten, die erste kleine Direkthilfe des Bistums Passau bar auszuzahlen. Dabei bin ich auch zu denen gefahren, die in Munderfing bei Mattigkofen in ein leerstehendes Flüchtlingsheim evakuiert wurden. Es waren vor allem alten Menschen und Mütter mit Kindern. Alle anderen haben Tag für Tag im den Schlammmassen geschaufelt, die mit Heizöl und anderen Stoffen belastet sind. Sie waren dankbar, dass auch die Kirche sie nicht vergisst. Manche meinten ganz verschämt, dass sie sonst ja mit der Kirche nicht so viel am Hut hätten. Viele hatten Tränen in den Augen. Das Reden, oder vielmehr das Zuhören, war oft noch viel wichtiger als das gegebene Geld.

Am zweiten Tag wurden wir immer wieder zu Menschen geholt, die dem Zusammenbruch nahe waren. „Wären wir doch einfach ins Wasser gegangen, dann wäre jetzt alles schon vorbei…“ Immer wieder sind solche und ähnliche Worte gefallen. Auch hier war das Zuhören meist das Wichtigste, auch wenn es oft unendlich schwer war, sich die Geschichten voller Leid anzuhören. Wir versuchten so ein wenig neuen Mut zu geben, ein wenig Kraft – und manchmal hatte ich dabei das Gefühl, dass das stundenlange Schaufeln im Dreck auch nicht mehr Kraft kosten konnte.

Aber dennoch hab ich zuallererst unglaublichen Respekt vor all den vielen, die schlammverschmiert bis ans Ende ihrer Kraft für meist völlig fremde Menschen da waren. Was hier – gerade auch von vielen jungen Leuten – geleistet wurde und immer noch geleistet wird, ist unbeschreiblich. Es macht mir Mut für unser Land und für diese Welt, wenn hier Menschen von überall her, sogar Menschen verschiedenster Nationalitäten, einfach angepackt und geholfen haben. Solche Menschen braucht unser Land, braucht diese Welt, keine rhetorischen oder gar tatsächlichen Brandstifter und Aufwiegler.

Meine Lieben,

solche Menschen, die sehen, was Not tut, die nicht lange fackeln, sondern einfach anpacken, die ein Herz haben und sich ein Herz fassen, wenn jemand in Not ist, auch wenn dieser Jemand ein wildfremder ist, solche Menschen, die einfach nur im besten Sinne des Wortes und wenn nötig mit aller Kraft „menschlich“ sind, solche Menschen braucht auch unsere Kirche. Nicht der ständig erhobene Zeigefinger macht uns glaubhaft, sondern nur ein offenes Herz Seite an Seite mit den Menschen von heute.

„Ihr sind so viele Sünden vergeben, weil sie mir so viel Liebe gezeigt hat…“ – Mit diesem Satz stellt Jesus all jene bloß, die sich selber zwar für unglaublich fromm halten, die aber nur reden, deren Herzen längst hart geworden sind, die nicht mehr wirklich lieben können. Umgekehrt wird die stadtbekannte Sünderin zum Vorbild, weil sie tatkräftig, öffentlich, verletzlich lieben kann.

Diese Welt braucht Menschen, braucht Christinnen und Christen und natürlich auch Seelsorgerinnen und Seelsorger, die bereit sind, so zu lieben. Oder um es mit den Worten von Papst Franziskus – ausgeweitet auf uns alle zu sagen: Ein guter Priester, eine gute Seelsorgerin, ein guter Seelsorger, eine gute Christin und ein guter Christ gibt sich selbst für andere und für Gott hin und richtet sein Leben auf Gott und die Menschen aus.

Amen.

Anmerkung: Die Kollekte im ganzen Bistum Passau kommt an diesem 11. Sonntag im Jahreskreis den Flutopfern zugute!

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(Text/Bilder: Witti)

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