„Ihr seid das Salz der Erde“ – Gedanken zum 5. Sonntag im Jahreskreis 2014 – A

 

Sind wir wirklich noch "Salz der Erde"?
Sind wir wirklich noch „Salz der Erde“?

Meine Lieben,

im Sommer 1999 war in der Stuttgarter Fußgängerzone ein riesiger Berg aus Salz aufgeschüttet worden. Es war das Werk eines Künstlers, der damit das Motto des dort zeitgleich stattfindenden 28. Deutschen Evangelischen Kirchentages veranschaulichen wollte. „Ihr seid das Salz der Erde“ war damals die biblische Losung.

Er mag damals sicherlich sehr beeindruckend gewesen sein, dieser Salzberg – und er hat vielleicht – gewollt oder ungewollt – auch manche Wirklichkeit unserer großen Kirchen hier in Deutschland ausgedrückt.

In früherer Zeit war Salz das „weiße Gold“, ein unendlich kostbarer Stoff, der nicht nur Würze, sondern auch Haltbarkeit gab. Schon in kleinen Mengen war es ein wertvolles Handelsgut. Die Geschichte unserer Region hier an Salzach und Inn erzählt bis heute vom einst unglaublichen Wert des Salzes.

Aber wenn dann dieses einst so kostbare Salz heute nur noch als großer Haufen in einer sommerlichen Fußgängerzone aufgeschüttet wird, dann hat es eigentlich jeden Sinn und Zweck und damit auch endgültig jeden Wert verloren. Auf einem großen Haufen daliegend, als Fremdkörper in  einer modernen pulsierenden Stadt, da fragte sich wohl mancher Passant nur noch: „Was soll das?“

Ähnlich geht es oft den christlichen Kirchen, ja, uns selber als Christinnen und Christen inmitten der modernen Welt. Laut Jesus sind ja wir heute das „Salz der Erde“. Vom großen Wert dieses „Salzes“ der christlichen Botschaft scheint nicht viel geblieben zu sein. Als fremdartiger, vielleicht sogar sinnloser Haufen erscheint er manchen Menschen in der heutigen Welt.

Das zeigte auch in der vergangenen Woche der Bericht der UN-Kinderschutzkommission, der den Vatikan – in weiten Teilen zurecht – scharf kritisiert hat. Wo es noch Mängel gibt beim Schutz von Kindern, muss der Finger in jede offene Wunde gelegt werden. Ein großer Teil der Kritik war hier berechtigt. In anderen Teilen hatten die Gutachter aber offenbar nicht gelesen, welche Standards die Kirche inzwischen schon längst umgesetzt hat. Befremdlich war es, wenn plötzlich UN-Vertreter – offenbar ohne jegliche theologische und moderne exegetische Kenntnisse – vorschreiben wollen, wie die Bibel auszulegen sei oder welche Ethik die Kirche zu vertreten habe. Ich wage mir nicht vorzustellen, was die Folge wäre, wenn der Islam ähnlich pauschal abgeurteilt werden würde, weil es immer noch Extremisten gibt, die Frauen steinigen und zu Ehrenmorden im Namen der Religionaufrufen.

Es  zeigt mir aber auch sehr deutlich, wie Kirche als „Salz der Erde“ – auch durch vielfaches eigenes Verschulden – nicht mehr wahrgenommen wird.

Meine Lieben,

es ist nicht die Schuld der ach so bösen Welt, dass wir nicht (mehr) als „Salz der Erde“ wahrgenommen werden. Wir haben uns viel zu oft selber abgekapselt und uns in unsere eigenen gemütlichen Runden zurückgezogen. Wenn aber Kirche nur noch für „Insider“ da ist, dann geht es ihr, wie dem tatsächlichen Salz; dann wird aus dem einst kostbaren Gut nur noch ein seltsamer, sinnloser Haufen, mit dem kaum noch jemand etwas anzufangen weiß.

„Ihr seid das Salz der Erde“ – diesen Satz konkretisierte Papst Franziskus beim Besuch der österreichischen Bischöfe vor kurzem so: Kirche soll ein Ort sein, „wo Raum geschaffen wird für Beziehungen unter Menschen und Beziehungen mit Gott, wo eine echte Gemeinschaft wachsen kann, die jeden auf gleiche Weise annimmt und sich nicht in Elitegruppen einschließt, die Wunden heilt, Brücken baut, sich wirklich auf die Suche nach den Fernstehenden macht und mithilft, dass »einer des anderen Last trage«“ … In unseren Städten und Dörfern gibt es mutige und schüchterne Menschen, gibt es missionarische und schlafende Christen. Und es gibt die vielen, die auf der Suche sind, auch wenn sie es sich nicht eingestehen. Jeder ist gerufen, jeder ist gesandt. Aber es ist nicht gesagt, dass der Ort dieses Rufs nur das Pfarrzentrum ist. Es ist nicht gesagt, dass sein Moment notwendig die gemütliche Pfarrveranstaltung ist. Der Ruf Gottes kann uns genauso erreichen am Fließband und im Büro, im Supermarkt, im Stiegenhaus, also an den Orten des alltäglichen Lebens“, so Papst Franziskus.

Wir können also auch als Pfarrgemeinde wieder und immer noch mehr „Salz der Erde“ werden. Ich werde daher alle demnächst neugewählten Pfarrgemeinderäte unserer vier Pfarreien am Freitag und Samstag vor dem Palmsonntag zu einer Klausur in Burghausen einladen. Dort soll genau das konkret werden. Im Sinne von Papst Franziskus wollen wir erspüren, wie wir als Kirche unter den Menschen einerseits noch mehr auf Christus schauen und unsere spirituellen Wurzeln leben können, um dann auch konsequent und weltoffen auf die Menschen zuzugehen, besonders auch auf jene am Rande, auf die, die unsere Hilfe am meisten brauchen.

Dann können wir auch heute noch „Salz der Erde“ sein. Dann können wir unseren Glauben lebend so bekennen, wie  es Dorothee Sölle in einem lyrischen Wort andeutet:

ich glaube an gott
der die welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein ding das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen ordnungen
von armen und reichen
sachverständigen und uniformierten
herrschenden und ausgelieferten


ich glaube an gott
der den widerspruch des lebendigen will
und die veränderung aller zustände
durch unsere arbeit
durch unsere politik


ich glaube an jesus christus
der recht hatte als er
„ein einzelner der nichts machen kann“
genau wie wir
an der veränderung aller zustände arbeitete
und darüber zugrunde ging
an ihm messend erkenne ich
wie unsere intelligenz verkrüppelt
unsere fantasie erstickt
unsere anstrengung vertan ist
weil wir nicht leben wie er lebte
jeden tag habe ich angst
dass er umsonst gestorben ist

weil er in unseren kirchen verscharrt ist
weil wir seine revolution verraten haben
in gehorsam und angst
vor den behörden


ich glaube an jesus christus
der aufersteht in unser leben
dass wir frei werden
von vorurteilen und anmaßung
von angst und hass
und seine revolution weitertreiben
auf sein reich hin

 

ich glaube an den geist
der mit jesus in die welt gekommen ist
an die gemeinschaft aller völker
und unsere verantwortung für das
was aus unserer erde wird
ein tal voll jammer hunger und gewalt
oder die stadt gottes
ich glaube an den gerechten frieden
der herstellbar ist
an die möglichkeit eines sinnvollen lebens
für alle menschen
an die zukunft dieser welt gottes
amen.*

*Aus: Dorothee Sölle, Ich will nicht auf tausend Messern gehen, München 1987.

Lesen Sie auch

GUTE HIRTEN DAMALS UND HEUTE – Einladung zum 4. Sonntag der Osterzeit 2024 (B)

Das Bild vom „guten Hirten“ ist schwierig: Einerseits wirkt es oft etwas kitschig und weltfremd, …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert