„Volkstrauertag“ – aktueller denn je

Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis 2014 – Lesejahr A – Pfarrer Michael Witti

(Foto: Pfarrbriefservice.de)
(Foto: Pfarrbriefservice.de)

Meine Lieben,

„Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau…“ Dieses düstere Bild aus dem ersten Brief des Paulus an die Gemeinde von Thessaloniki scheint in diesen Tagen in Deutschland zu einer erschreckenden Wirklichkeit zu werden. Dieses Pauluswort zeigt mir aber auch, dass der an diesem Sonntag begangene „Volkstrauertag“ wichtiger denn je ist.

Ende Oktober war es ein tausendfacher schwerkrimineller rechtsradikaler Mob der in einer Orgie der Gewalt Teile der Kölner Innenstadt verwüstet hat. Politische Motive konnten im alkoholisierten Hassgegröle nicht mehr ausgemacht werden. Es war blanke, kriminelle Zerstörungswut, der die Ordnungskräfte weitgehend hilflos gegenüberstanden. Die Zweitauflage war an diesem Samstag in Hannover, allerdings unter wesentlich stärkerem Polizeiaufgebot und mit klaren politischen Gegenveranstaltungen unter dem Motto „Hannover ist bunt“. Solche Ausschreitungen, solche rechten Gewaltorgien, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht gegeben. Was haben wir aus unserer Geschichte gelernt, die millionenfachen Tod, Terror und Gewalt einst über diese Welt gebracht hat?

Das Motiv, das bei diesen jüngsten Gewaltexzessen vorgeschoben wurde, waren die Salafisten. Das ist eine nicht minder gefährliche islamistische Gruppe, die durchaus auch gewaltbereit ist. Tragisch ist, dass auch das Problem des erstarkenden Salafismus in Deutschland weitgehend hausgemacht ist. Die Eltern und Großeltern dieser selbsternannten jungen Gotteskrieger wurden oft als Gastarbeiter in unser Land geholt. Als Arbeitskräfte und Steuerzahler waren und sind sie willkommen. Die Integration scheiterte. Die Kinder wurden viel zu oft schon von klein auf ausgegrenzt und an den Rand gedrängt. Und eben diese verlorene und in Deutschland entwurzelte Generation ist nun die immer wieder die ideale Zielgruppe islamistischer Terrorgruppen. Die verbreiten dann auch mit jungen Leuten aus Deutschland, auch mit nicht wenigen Deutschen, die zu dieser extremen Form des Islam konvertiert sind, in den arabischen Ländern mit den IS-Milizen Angst und Schrecken. Unzählige Menschen sind dort auf der Flucht vor Terroristen, die auch aus unserem Land kommen.

Viele – gerade auch junge Menschen – verlieren angesichts all dessen das Vertrauen in die Politik. Wenn dann noch hinzukommt, dass bis heute niemand für die Ermittlungspannen im Umfeld der rechtsradikalen NSU-Gruppe zur Rechenschaft gezogen wurde, wenn man bedenkt, dass ein aktiver Rechtsradikaler in Bayern Richter werden konnte, weil die Bundesländer untereinander keine Informationen weitergegeben haben, dann nimmt das Vertrauen vieles in unseren Staat noch weiter ab.

 

Meine Lieben,

„Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau…“ Hier habe ich heute ein doppeltes Anliegen: Zum einen ist ein Gedenktag, wie der „Volkstrauertag“, mit all den Vereinen, Gruppen und politischen Vertretern, heute wichtiger denn je, um dem Vergessen zu wehren und vielleicht doch noch aus der Geschichte zu lernen. Zum anderen ist immer nötiger, dass die Kirchen in unserem Land, dass die Christen in unseren Gemeinden hier klar die Stimme erheben in ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen. Ich bin sehr froh, über neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands Bedford-Strohm, der in engem ökumenischen Miteinander mit Reinhard Kardinal Marx als Vorsitzendem der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz immer wieder den Finger in offene Wunden von Politik und Gesellschaft legen will.

Es braucht aber auch mutige Zeichen in den Pfarrgemeinden, so wie ich sie am vergangenen Freitag erleben durfte. In Burgkirchen haben in der dortigen Moschee Moslems und Christen beider Konfessionen gemeinsam um Frieden gebetet. An den kommenden beiden Freitagen wird das in der dortigen evangelischen und katholischen Kirche seine Fortsetzung finden. Die herzliche Umarmung des dortigen Imam und das – trotz des nötigen Dolmetschers – so vertrauensvolle Gespräch zwischen uns beiden haben mir den Weg gezeigt, den wir als Christen, Moslems und Juden für diese Welt gehen müssen, den Weg des einen Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, zu dem wir gemeinsam beten. Dieser eine Gott wird – wie im Gleichnis des Evangeliums – auch von Dir und mir einmal Rechenschaft fordern. Kann er dann auch zu Dir und mir sagen:

„…du bist ein tüchtiger und treuer Diener… Komm, nimm Teil an der Freude deines Herrn“?

Amen.

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