„WO FINDE ICH EIN OFFENES OHR?“ – Predigt 3. Fastensonntag 2019 – C

Meine Lieben,
zum „Werkstattabend“ waren vor einem knappen Monat alles Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen. Dabei ging es um die Zukunft unserer Kirche im Bistum Passau. Dramatisch sinkende Zahlen in allen seelsorglichen Berufen sind vor Ort ebenso spürbar, wie der Rückgang aktiver Pfarrangehöriger.
Eine Musterlösung gab es an diesem „Werkstattabend“. Beim Leitwort wurde schnell spürbar, dass es schon allein von der Sprache her wenig mit dem „normalen Leben“ der Menschen zu tun hat.
Im Zentrum stand dann die biblische Erfahrung des „Exodus“, in dem Mose das Volk in die Freiheit und schließlich ins gelobte Land führt.
Viel war die Rede von schwierigen Umständen, vom Mut – oder auch dem fehlenden Mut – zum Aufbruch, von der Wüstenwanderung und von der Frage: Was nehme ich – auch als Pfarrgemeinde – mit in die verheißene Zukunft und was lasse ich zurück?
Mir fiel auf, dass der Anfang der Exodus- Erfahrung an diesem Abend fehlte. Und ich halte das für fatal… Die heutige Erste Lesung aber erzählt von dem, was zu Beginn dieser Befreiung und des Neuanfangs stand.
Mose hat nicht einfach am grünen Tisch einen Pastoralplan entworfen und dem Volk gesagt, was zu tun sei. Mose hat vielmehr die Erfahrung gemacht, die ich an jenem Werkstattabend vermisst habe. GOTT hat sich ihm offenbart in einzigartiger Weise. ER hat ihm gesagt, wer er ist und wie er ist. Der „Ich bin, der ich bin“ hat etwas wunderbares gesagt:
„Ich habe das Elend meines Volkes … gesehen und ihre laute Klage … habe ich gehört. Ich kenne sein Leid.“
Das wichtigste für das Volk damals ist vielleicht auch das wichtigste für das Volk Gottes heute – die Erfahrung: Gott hört mich. Gott sieht meine Hoffnungen und Ängste. Gott nimmt mich ernst und zeigt mir so, dass ich ihm wirklich wertvoll bin.
Der Auftrag des Mose war es, diesen hörenden und sich um die Menschen sorgenden Gott für sein geknechtetes Volk spürbar zu machen.
Gerade in unseren Tagen wäre das auch der Wunsch vieler Christen, egal, ob sie aktiv in unseren Gemeinden leben, oder ob sie hier unter uns oft kaum sichtbar sind: Eine „hörende Kirche“, „Orte des Zuhörens“, für die ich keinen Termin brauche, wo ich zur Sprache bringen kann, was mich beschäftigt, was mir auf der Seele brennt, danach sehnen sich viele.

Meine Lieben,
dieses Thema einer „hörenden Kirche“ beschäftigt mich seit einiger Zeit. Im Blick auf die kommenden Jahre formen sich da auch gerade einige Ideen bei mir, über die ich momentan mit Theologen und Verantwortlichen hier im Bistum im Austausch bin.
Ein ganz konkretes Angebot gibt es schon ab sofort hier im Pfarrverband: einen „Ort des Zuhörens“, an dem man einfach regelmäßig ein „offenes Ohr“ finden kann.
Bei der Innenrenovierung der Feichtener Kirche wurden die Beichtstühle abgebaut. Sie waren weder historisch wertvoll, noch halbwegs brauchbar für ein wirkliches Gespräch.
Stattdessen ist hinter dem Hochaltar nun ein modernes Gesprächszimmer entstanden. In angenehmer Atmosphäre kann man dort zu bestimmten Zeiten einfach „vorbeischauen“. Egal, ob es ein Ärger über irgendetwas am Friedhof ist, oder ob man über Dinge sprechen möchte, die einen im eigenen Leben beschäftigen. Für alles ist dort Platz. Für alles soll es dort ein „offenes Ohr“ geben . Es muss keine „klassische Beichte“ sein. Aber auch das ist möglich. Man findet die gewohnte Anordnung des Beichtstuhls mit Knieschemel und Vorhang ebenso, wie die Möglichkeit, sich gegenüber zu sitzen und so ins Gespräch zu kommen. Eine kleine Lampe, die rot oder grün leuchtet, zeigt, ob gerade schon jemand im Gespräch ist, oder ob man eintreten kann.
In der Karwoche wird am Montag, Dienstag und Mittwoch von 17:00 bis 19:00 Uhr und am Karfreitag nach der Liturgie dieser Raum für alle offenstehen. Monatlich wird dieses Angebot dann fortgesetzt werden.
Das allein ist noch keine Musterlösung für alle Zukunftsfragen unserer Kirche. Aber es ist ein Anfang, ein kleiner Schritt, mit dem Menschen spüren können, dass sie gehört werden, dass sie ein „offenes Ohr“ finden können. Es soll ein Ort sein, der vielleicht auch heute noch die Erfahrung vermittelt, die Gott selber an den Anfang aller Befreiung und allen Neuanfangs gestellt hat:

„Ich habe das Elend meines Volkes … gesehen und ihre laute Klage … habe ich gehört. Ich kenne sein Leid.“

Amen.

(Text/Bild: Witti)

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