„Zeit für Träume“ – Predigt zum 4. Advent – Lesejahr A

Meine Lieben,

wir haben heuer den längsten Advent, der vom Kalender her überhaupt nur möglich ist. Fast eine Woche dauert er noch. Nächstes Jahr ist es dann umgekehrt. Da werden wir den kürzest möglichen haben. Aber heuer haben wir Zeit, viel adventliche Zeit. Was haben Sie sich für diese letzte knappe Woche des Advents noch vorgenommen? Stürzen Sie sich nur in den Trubel der Kaufhäuser und Supermärkte, oder hat in dieser langen Adventszeit auch noch etwas anderes Platz?

Eine Anregung für die Gestaltung dieser letzten adventlichen Woche kann das heutige Evangelium geben. Es ruft ja Dir und mir indirekt zu: „Nimm dir Zeit zum Träumen!“ Im Alltag schüttle ich da ja viel zu oft den Kopf und denke an das Sprichwort „Träume sind Schäume“. Vielleicht spricht daraus aber nur die Angst davor, enttäuscht zu werden, Träume zerplatzen zu sehen, von Mutlosigkeit übermannt zu werden.

Josef war ja auch kein typischer „Träumer“, kein weltfremder Hans-guck-in-die Luft. Er war ein solider Handwerker. Die gemeinsame Zukunft mit Maria hatte er gerade in Planung, als er im Traum erfährt, dass Maria ein Kind erwartet. Von ihm konnte es nicht sein. Ein Alptraum war das wohl erst einmal für ihn. Doch was dann geschah mit Josef und seinem Traum, das beschreibt Tiki Küstenmacher in seiner 3-Minuten-Bibel so:

Josef war fair. Statt seine Verlobte des Ehebruchs anzuklagen (wie er es nach dem Gesetz hätte tun müssen), wollte er Maria in der Nacht heimlich verlassen. Aber in der Nacht bekam Josef Besuch. Ein Engel erschien ihm im Traum und veranlasste ihn dazu, sein Fairplay noch einmal zu toppen: Er sollte Maria als seine Frau annehmen und das Kind quasi adoptieren. Keine Rede davon, dass Josef an der Vaterschaft des Heiligen Geistes auch nur einen Augenblick gezweifelt hätte. Auf diese Weise kommt Jesus zu einem adligen Stammbaum – von Abraham über König David bis zu Opa Jakob und Vater Josef. Nehmen wir einmal an, Josef hätte einen etwas festeren Schlaf gehabt oder wäre total unempfänglich gewesen für Traumbotschaften. Nehmen wir an, er hätte ein für alle Mal die Nase voll gehabt und wäre nicht so sensibel gewesen für die leisen Hinweise von oben – die Geschichte von Jesus und seiner Mutter wäre anders verlaufen. Aber Josef war sensibel. Er spürte sich einbezogen in ein größeres, göttliches Spiel, das über ihn hinwegrollte, ihn aber doch zum Mitspieler machte. »Er wird sein Volk retten von ihren Sünden.« Josef hat wohl gespürt, dass das nicht irgendwann bei irgendwem beginnt, sondern bei ihm – sofort. Er hätte sich aus dem Spiel nehmen und sich in den Schmollwinkel zurückziehen können: ohne mich! Aber Josef wird gerettet, indem er rettet – die Ehre seiner Maria beispielsweise. Damit ist er ein mutiger Mann mit der guten männlichen Qualität der Klarheit. Schade, dass Josef oft als etwas jämmerliche Figur neben der großen Maria an die Knippe gestellt wird. Ohne Josefs Ja wäre das komplizierte Heilsprogramm Gottes nicht möglich gewesen.1

Meine Lieben,

Josef hat dem Traum geglaubt, dem Traum von Rettung und Erlösung. Er hatte – ganz konkret – mit diesem Kind den Traum von einer besseren Welt.  Trau ich mich noch von einer besseren Welt zu träumen? Wenn ich beim Aufstehen den Radio einschalte, wenn ich beim Kaffee die Zeitung aufschlage, wenn ich abends die Nachrichten anschaue, zerplatzt jeder Traum von einer besseren Welt, entflieht jede Hoffnung auf weihnachtlichen Frieden. Dennoch – oder gerade deshalb – möchte ich Sie und Euch alle einladen, mit mir und weltweit vielen vielen anderen in dieser letzten Adventswoche diesen Traum vom Frieden, diesen Traum von einer besseren Welt zu träumen; diesem Traum in Gottes Namen zu vertrauen.

Auch heuer hat im Advent wieder ein Kind an der Lampe, die in Bethlehem an der Geburtsgrotte brennt, eine Kerze als „Friedenslicht“ entzündet. Seit 30 Jahren wird dieses Friedenslicht in alle Welt getragen. Es ist ein wunderschönes Zeichen für die Sehnsucht nach Frieden, so wie er einst den Hirten auf den Feldern von Bethlehem verkündet wurde. Die kleine Flamme zeigt aber auch, wie gefährdet dieser Traum vom Frieden ist. So schnell kann eine kleine Flamme verlöschen, so schnell kann in einer Welt voller Hass und Gewalt auch jede Hoffnung auf Frieden zerbrechen.

Ich lade Euch ein: Trauen wir diesem adventlichen Traum. Tragen wir symbolisch mit dem Friedenslicht auch unseren Traum vom Frieden weiter. Am Donnerstag wird die Heiligkreuzer Feuerwehr das Friedenslicht in Tittmoning holen. Am Freitag um 18.00 Uhr darf ich dieses Friedenslicht bei einer kleinen Andacht im Feichtener Pfarrgarten an die Menschen hier weitergeben. Alle sind herzlich eingeladen, dieses Friedenslicht dann auch bewusst in ihre kleine Welt, in die Häuser und Wohnungen zu tragen. Auch in den Kirchen wird es während der Feiertage leuchten. Um 19.00 Uhr feiern wird dann am Freitag im Kerzenschein dieses Friedenslichtes ein letztes Rorate in der Feichtener Kirche. Ich lade Euch alle ein – wie Josef – an den Traum Gottes von einer besseren Welt zu glauben. Dann wird vielleicht auch heuer möglich, was wir im Evangelium der Heiligen Nacht hören werden: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“

Amen.

1Aus: Werner Tiki Küstenmacher, Die neue 3-Minuten-Bibel. Knaur/Pattloch Verlag, München 2015.

 

(Text/Bild: Witti)

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