„Freut euch“ – Predigt zum 3. Adventssonntag – Lesejahr A

Meine Lieben,

„Freut euch!“ – So ruft uns dieser 3. Adventssonntag mit dem Namen „Gaudete“ ins Deutsche übersetzt zu. Und die biblischen Texte wollen das heute offenbar noch bestätigen: „Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen… jubeln und jauchzen… Fürchtet euch nicht… jauchzt auf…“ – So hieß es ja eben in der wunderbaren ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja.

„Der hat gut reden…“, könnte man da heute sagen. Haben wir wirklich Grund zur Freude mal abgesehen von den paar freien Tagen zu Weihnachten? Sind es nicht vielmehr Probleme über Probleme, die unser Land spalten, die die Welt immer schwieriger, ungerechter, unübersichtlicher und gefährlicher machen? Können wir da überhaupt noch verantwortungsvoll von „adventlicher Freude“ heute reden? – Ich denke schon. Aber die Freude, um die es hier geht, ist vielleicht eine andere, als die vermeintlich sorglose Heiterkeit, die wir im Alltag so erwarten würden.

Jesaja rief einst seine Hoffnungsbotschaft mitten in eine der größten Krisen des Volkes Israel hinein. Das Land war erobert. Weite Teile der Bevölkerung waren in die babylonische Gefangenschaft verschleppt. Zukunft schien es für Israel, für Gottes auserwähltes Volk, nicht mehr zu geben. Und gerade hier setzt seine prophetische Hoffnungsbotschaft an. Gerade hier spricht Jesaja von einer Freude, die größer ist, als alle Angst, als alle Schrecken, als alle Unsicherheit dieses Lebens.

Ähnlich dürfen wir heute dieses Hoffnungswort, diese Freudenbotschaft, inmitten unserer Welt mit all ihren Fragen und Problemen verstehen. Timothy Radcliff beschreibt das in einer adventlichen Betrachtung so:

John Henry Newman bezeichnet den Christen als Men­schen, »der nach Christus Ausschau hält«. Die Advents­zeit übt uns in der Geduld, nicht zu früh mit dem Feiern der Geburt Christi anzufangen und die Geschenke vor­zeitig auszupacken, obwohl uns in den Geschäften schon überall »Frohe Weihnachten« entgegenschallt. Christus ist ein Geschenk, und Geschenke achtet man, indem man auf den Moment wartet, in dem sie überreicht werden. Dieses Warten ist nicht bloß Passivität. Das lateini­sche Wort für »warten«, attendere, bedeutet, sich nach vorn auszustrecken. Wir tun es, indem wir uns öffnen auf das, was kommen wird, wie eine Mutter, die sich auf die Geburt vorbereitet. Warum gehört das Warten so sehr zum Christsein? Warum kann uns Gott nicht ein­fach jetzt geben, wonach wir uns sehnen: Gerechtigkeit für die Armen und vollkommenes Glück für alle? Fast 2000 Jahre sind vergangen seit der Auferstehung, und wir warten immer noch auf das Reich Gottes. Warum? Ein Grund dafür, warum Gott so viel Zeit braucht, ist, dass er kein Gott im üblichen Sinne ist. Unser Gott ist nicht mächtig, kein himmlischer Superman, der von außen in unsere Welt hereinplatzt. Das Kommen Gottes ist nicht die Kavallerie, die angeritten kommt, um uns zu retten. Gott kommt von innen, in unserer tiefsten Inner­lichkeit. Er ist uns, so Augustinus, näher, als wir uns selbst sind, oder, wie der Koran sagt, näher als unsere Halsschlagader. Gott kommt zu uns, wie ein Kind zu einer Mutter kommt, in der Tiefe ihres Seins und sie langsam verwan­delnd. Alles andere wäre Gewalt, eine Vergewaltigung. Wir sind körperliche Wesen, und als solche leben wir in der Zeit. So wie es neun Monate für eine Schwangerschaft braucht, braucht es seine Zeit, damit ein gebrochener Knochen wieder zusammenwächst und Fieber abklingt. Heilen und Wachsen brauchen Zeit. Wir brauchen Ge­duld, weil Gott nicht als äußerer Akteur zu uns kommt, sondern in der tiefsten Intimität unseres körperlichen Seins, das in der Zeit lebt. Wir Menschen unterscheiden uns von anderen Lebewesen darin, dass wir so lange brau­chen, um heranzuwachsen und zu reifen – anders als Fruchtfliegen zum Beispiel. Unsere Hoffnung liegt auf dem Gott, der Mensch wird und der den Rhythmus un­seres Lebens achtet.1

Meine Lieben,

in diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir, dass wir als wartende und sehnsuchtsvolle Menschen die Freude dieser adventlichen Tage spüren dürfen!

Amen.

1Timothy Radcliffe in: Eine Nacht voller Wunder. Gesegnete Weihnachten. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2013.

 

(Text/Bild: Witti)

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