„FEINDESLIEBE? DAS SCHAFF ICH NICHT…“ – Predigt 7. Sonntag im Jahreskreis 2019

Meine Lieben,
„Also Du kannst mich wirklich gernhaben!“ – Wenn jemand das zu mir sagt, dann weiß ich, was die Stunde geschlagen hat. Mit der entsprechenden Betonung zeigt mir dieses „gernhaben“ ganz deutlich, dass der sprichwörtliche Ofen wohl endgültig. Die Ablehnung ist bei diesem „gernhaben“ direkt mit Händen zu greifen.
„Liebt eure Feinde…“ – Ob Jesus wohl schon damit zufrieden ist, wenn ich meinem vermeintlichen „Feind“ sage, dass er mich wirklich „gernhaben“ könne, darf bezweifelt werden.
Aber ist bei mir überhaupt mehr drin? Ist es annähernd realistisch, nach diesen Forderungen Jesu zu leben?
Im Normalfall funktioniert unsere Gesellschaft doch im Großen, wie im Kleinen ganz anders. Da heißt es doch eher:
• Hasst euere Feinde!
• Tut nur denen Gutes, die auch euch Gutes tun.
• Segnet die, die euch segnen und verflucht die, die euch verfluchen.
• Betet für die, die euch Gutes tun und verflucht die, die euch misshandeln.
• Bei dem, der dir auf die eine Wange schlägt, hau zurück, bevor er dich auch noch auf die andere schlagen kann.
• Dem, der Dir den Mantel wegnimmt, dem reiß wenigstens noch sein Hemd herunter.
• Gib jedem, der dir gibt und wenn dir jemand etwas wegnimmt, dann hol es zurück – notfalls mit Gewalt.
• Wie die andern mit dir umgehen, so geh auch Du mit ihnen um.
Das ist doch die Realität, vom Schulhof, bis hinein in die „große Politik“. Wer etwas anderes behauptet, ist entweder ein hemmungsloser Sozialromantiker, ein unverfrorener Lügner, oder einfach ein bedauernswerter Schwachkopf!
Jesus kann seine Forderungen nicht so ganz ernst gemeint haben, denn sonst wäre er ja ein ebenso weltfremder Schwachkopf. Ob er nicht einfach ein wenig übertrieben hat, damit wenigstens ein bisschen mehr Nachsicht und soziale Barmherzigkeit noch übrigbleiben. Wörtlich nehmen kann man das keinesfalls, da sind wir uns doch alle einig, oder?
Aber Jesus nimmt es wörtlich, wortwörtlich sogar! Er meint es ernst Dieses Evangelium lässt keinen Zweifel daran; es lässt mir kein Schlupfloch, um seine Worte für mich zu relativieren. Es lässt sich nicht verbiegen, treibt mich geradezu in die Enge.
Aber ich kann das doch nicht, was Jesus hier von mir verlangt. Der Maßstab Jesu überfordert mich…
Vielleicht will Jesus aber, dass ich meinen Blickwinkel ändere? Gott geht es nicht ums „Recht haben“. Denn viel zu oft entstehen daraus nur billige Rechthaberei und neues Unrecht.
In der Logik Gottes ist der Maßstab der Gerechtigkeit ein anderer. Denn vor Gott kann sich niemand von uns wirklich „gerecht“ oder gar „vollkommen“ nennen. Jede und jeder von uns hat dunkle Seiten und schwarze Flecken in der Biographie.
Der Maßstab für Gottes Gerechtigkeit ist demnach seine schier unverstehbare Barmherzigkeit.
Die Richtschnur dieser Welt hat ausgedient. Gottes Logik zerbricht meinen Maßstab der vermeintlich gerechten Vergeltung. Das überfordert mich!

Meine Lieben,
vielleicht will Jesus mich hier bewusst überfordern. Denn er will mich zu dem führen, was Paulus in der 2. Lesung beschrieben hat: Wir sollen Gott ähnlich werden.
Dann sollen wir also Menschen werden, die in mitten einer Welt voller Gewalt und Gegengewalt, voller Rache und Vergeltungsschläge, Gottes Maßstäbe zu leben versuchen. Wir sollen seine „Brückenbauer“ werden, dort wo Abgründe Menschen voneinander trennen.
Solche Brücken können aber nicht „ein wenig“, oder „unter Vorbehalt“ über menschliche Abgründe geschlagen werden. Solche Brücken der Liebe, der Gnade, der Barmherzigkeit müssen bedingungslos sein, sonst stürzen sie ein, bevor sie fertig errichtet sind.
Jesu Herausforderung ist sicherlich gewaltig. Mir selbst ist sie oft zu gewaltig. Sie ist der wohl größte Schritt, den ein Mensch überhaupt tun kann. Wenn es mir aber gelingt, wirklich Barmherzig zu sein, dann ist das allergrößte, für das wir Menschen geschaffen sind: Denn dann können wir die eigenen Grenzen zu überwinden und mitten in der Welt Gott ähnlich zu werden. Amen.

(Text: Witti; Bild: Limmer)

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