„Szenen einer Ehe“ und „Teure Berater“ – Predigt 8. Sonntag im Jahreskreis C

Meine Lieben,
stellen sie sich doch bitte einmal folgende Szene am Frühstückstisch vor. Er sitzt verschlafen da, schlürft noch relativ lustlos seinen Kaffee und versteckt sich hinter der Zeitung. Sie bringt frische Semmeln und Marmelade, stellt beides hin, schaut ihn erwartungsvoll an und … nichts geschieht. „Undankbarer Kerl!“, zischt sie hervor. Er weiß nicht wie ihm geschieht und was sie will, spürt aber ihre Attacke und geht zum Gegenangriff über: „Was bist du denn in aller Frühe schon wieder so hysterisch…?“
Alles weitere möchte ich jetzt ihrer Fantasie überlassen: eine alltägliche Szene, ein ganz normales Beispiel, wie sich zwei Menschen das Leben scheinbar unnötig schwer machen. Glaubt man nun den hochbezahlten Psychologen, Erfolgs- und Kommunikationstrainern unserer Tage, ohne die kein großer Konzern mehr auskommt, dann liegt hier eine Störung in der Kommunikation vor. Die beiden reden zwar, aber sie reden nicht wirklich miteinander. Zwar lehrt die Kommunikationstheorie, dass man „nicht nicht kommunizieren“ könne, das heißt, dass auch mein Schweigen meist sehr vielsagend ist, aber das heißt umgekehrt noch lange nicht, dass ich auch richtig verstanden werde.
Ich glaube, gerade hier setzt das heutige Evangelium ein: bei mir und meiner eigenen Befindlichkeit, bei meinem Gegenüber, mit dem ich in Kontakt trete und dabei, wie wir beide miteinander umgehen.
„Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“, sagt Jesus am Ende seiner Rede. Nun, jeder, der das vermeintliche Glück hat, Sonntag für Sonntag ein und denselben Prediger zu erleben, wird das bestätigen können. Nur allzu bald ist bekannt, wovon das Predigerherz voll ist und seine ständig wiederholten Lieblingsthesen locken bald niemanden mehr hinter dem Ofen hervor.
Es steckt aber noch mehr dahinter. Das Gute oder Böse, das ein Mensch hervorbringt, kommt – so Jesus – aus seinem Herzen, aus dem innersten Kern seiner Persönlichkeit. Egal also mit welch großartigen oder ganz einfachen Worten jemand daherkommt, man spürt recht bald, was eigentlich im Innersten dahintersteckt.
Schön und gut, „Diese Erfahrung hab ich schon oft gemacht!“, könnte man nun sagen. „Außen hui, innen pfui!“ – „Große Worte, nix dahinter!“
Aber wie oft setze auch außerhalb der Faschingszeit ich solche Masken auf, verstecke mich hinter maskenhaften Worthülsen, anstatt wirklich aus dem Herzen heraus zu reden und zu handeln?
Wie gern erscheinen manche – auch in der Kirche – als Menschen, die alles besser wissen, die genau sagen, was andere denn zu tun hätten. Glaubhaft ist das oft nicht, wenn ich Jesu heutige Maßstäbe hier anlege.

Meine Lieben,
soll ich den Bruder oder die Schwester samt den Splittern in ihren Augen dann einfach besser links liegen lassen? Recht machen kann ich es ja anscheinend nicht, so könnte man meinen.
Wenn ich das heutige Evangelium im großen Zusammenhang von Jesu Reden und Tun anschauen, dann sehe ich vielleicht noch einen anderen Weg, der mich selber und den anderen ernst nimmt; einen Weg, der mich einlädt, zuerst einmal die eigenen blinden Flecken zu sehen, um dann auch dem anderen in seinem Anderssein gerecht werden zu können.
Es ist jener kreative und menschliche Lösungsweg, den Berater heute in Wirtschafsseminaren so teuer an den Mann und die Frau bringen, den aber Jesus heute uns allen gratis – aber hoffentlich nicht umsonst – nahebringen will:
Ich muss niemandem meine Sicht der Dinge aufdrängen. Ich muss mich nicht als Über-Mensch inszenieren, der sowieso alles besser weiß.
Ich kann aber, im Bewusstsein meiner eigenen Unvollkommenheit, menschlich auf den anderen zugehen. Ich kann ihm ehrlich zuhören, ihm tief in die Augen sehen – und es könnte geschehen, dass die Tränen unserer ehrlichen Hilflosigkeit die Splitter und Balken aus unser beider Augen herausschwemmen…

Amen.

(Text: Witti/Foto: Limmer)

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