Predigtgedanken zu Maria Himmelfahrt und Bildergalerie

Pfarrgemeinde Feichten/Kaunertal

Vorabendmesse zum Hochfest „Maria Himmelfahrt“ 2015

an der Kapelle des Gepatschhauses (Pfr. M. Witti)

 

IMG_4215Meine Lieben,

ich hab sie selbst leider nie kennenlernen können, die „Desch’n-Mutter“, meine Urgroßmutter, aber ich hätte es sehr gern. Sie muss eine unendlich liebenswerte, aber auch starke Frau gewesen sein. 16 Kindern hat sie das Leben geschenkt. Als der Jüngste geboren wurde, waren einige der älteren Brüder nach dem Ersten Weltkriege schon nach Amerika ausgewandert.

Beide Weltkriege musste die „Desch’n-Mutter“ mit ihrer Familie erleben auf dem kleinen Anwesen im niederbayerischen Tutting bei Kirchham. Sie war eine geradlinige und gläubige Frau; eine Mutter, die auch ihren Kindern in diesen schwierigen Zeiten ein festes Rückgrat und einen ebenso festen Glauben mitgeben wollte. Ich weiß nicht viel von ihr, aber eine Begebenheit, die mir oft und oft von der alten Kathie, meiner Großtante, erzählt wurde, hat sich mir tief eingeprägt:

Zwischen meiner Heimat Kirchham und Pocking war während des Zweiten Weltkrieges ein KZ-Außenlager. Unter menschenunwürdigen Bedingungen sollten die Häftlinge dort in der Pockinger Heide den Fliegerhorst ausbauen. Immer wieder wurden Gefangene Tuttinger Bahnhof aus den Viehwagons entladen und von SS-lern brutal durchs Dorf getrieben. Immer wieder soll damals die „Desch’n-Mutter“ gekochte Kartoffeln an den Straßenrand gelegt haben, in der Hoffnung, dass einer der Elenden nicht nur ein wenig zu essen, sondern auch ein kleines Zeichen der Menschlichkeit bekommen sollte. Allein das hätte damals schon genügt, um ihr größte Schwierigkeiten zu bereiten. Aber eines Tages geschah noch mehr:

Es war an einem Karfreitag. Die „Desch’n-Mutter“ hatte mittags ein wenig Fisch als Fastenspeise zubereitet. Da wurde ein einzelner KZ-Häftling von einem SS-ler Richtung brutal in Richtung Lager getrieben. Es war fast so, als würde sich an diesem Tag der Kreuzweg Jesu mitten im eigenen Dorf abspielen. Schon damals, bei Jesus, hatten nur die Frauen den Mut, ihm Mitleid und Beistand zu zeigen.

Meine Urgroßmutter ist damals dem SS-ler auf offener Straße entgegengetreten. Es muss ihr schwer gefallen sein, aber sie hat den brutalen Menschenschinder zum Mittagessen eingeladen. So konnte der Häftling für kurze Zeit ein wenig Schonung erfahren. Während der eine in der Stube gegessen hat, haben die Kinder den anderen im Hausflur mit dem Nötigsten versorgt. Als dann die „Desch’n-Mutter“ auf den Flur kam, nahm er sie in den Arm. Mit französischem Akzent sagte er, er sei ein Bischof, der im Widerstand gefangen genommen wurde und er segnete sie und ihre Familie und er machte ihr ein unglaubliches Versprechen, das sich später dann bewahrheiten sollte: Die Mutter, die einen so starken Glauben und ein so großes Herz hatte, sollte alle ihre Söhne, die im Krieg waren, heil und gesund wiedersehen…

Meine Lieben,

wenn wir heute das Hochfest „Maria Himmelfahrt“ feiern, dann soll genau das deutlich werden, was ich im Blick auf meine Uroma spüre: Mut zum Leben aus dem Glauben. Ich verstehe im die apokalyptischen Bilder der ersten Lesung so ganz neu und sehr persönlich:

Von der Frau, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, hieß es da: „Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen.“ Die erst so entrückt wirkende Frau wird hier sehr menschlich. Es geht um die wohl existentiellste aller Erfahrungen; um die Erfahrung der Geburt, die meine Urgroßmutter sechzehnmal gemacht hat. Unter Angst und Schmerzen hat auch sie – so wie jene Frau der biblischen Apokalypse – ihren vielen Kindern das Leben geschenkt…

Das nächste Bild erscheint erst wiederum seltsam: „…ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab…“

Für mich ist das schlicht und einfach ein bildhafter Ausdruck tiefer menschlicher Angst.

Für die „Desch’n Mutter“ war es wohl der Drache des Krieges, der in unzähligen, immer neuen und immer grässlicheren Fratzen ihr Lebensglück zu vernichten drohte. Als junge Frau und Mutter erlebte sie den ersten Weltenbrand. Und die „Desch’n Mutter“ erlebte selbst mit den Ihren die Angst und die Not, die jener Drache Krieg schon damals verursachte.

Im biblischen Text wird das Bild der Angst noch weitergesponnen: „Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen…“

Diese Erfahrung machte meine Urgroßmutter dann im Zweiten Weltkrieg. Wieder wütete dieser apokalyptische Drache – und er tat es schlimmer, als jemals zuvor. Gleich mehrere ihrer Söhne drohte er zu verschlingen. Ich weiß nicht, woher sie damals die Kraft nahm, noch beten zu können. Ich weiß nur, dass ihr Glaube sie durch diese Zeit getragen hat; der Glaube, der ihr wohl auch geholfen hat, sich ihr großes, liebendes Herz zu bewahren.

Die Bibel erzählt dann weiter von jener apokalyptischen Frau:

„Und sie gebar ein Kind“ und Gott schuf einen sicheren Zufluchtsort für sie, eröffnete ihr, die geglaubt und vertraut hat, eine neue und wunderbare Zukunft.

Eine kleine Ahnung dieser Erfahrung, von der die Bibel hier spricht, durfte die alte „Desch’n Mutter“ vielleicht an jenem Karfreitag machen, von dem ich erzählt habe. Mitten im Wahnsinn von Krieg, Hass und mörderischer Gewalt vertraute sie auf die Kraft ehrlicher Liebe. Mit dem Mut, der nur aus Liebe erwächst, nahm sie am Kreuzweg jenes ihr völlig fremden Menschen Anteil. Sie riskierte vieles, um ihm ein wenig Linderung, einen Hauch von Menschlichkeit und Würde zu geben.

Ich weiß nicht, ob sie ihm damals glauben konnte, aber er versprach ihr in der wohl härtesten Zeit ihres Lebens die Erfüllung all ihrer Hoffnungen und Gebete: Sie sollte alle ihre Söhne heil und gesund wiedersehen.

Meine Lieben,

wenn ich diesen apokalyptischen Text aus dem letzten Buch der Bibel heute so betrachte, dann ist er auf einmal gar nicht mehr abgehoben und lebensfremd. Dann entdecke ich plötzlich etwas, das wohl schon meine Uroma im Blick auf Maria gespürt hat. Dann wird die biblische Überlieferung zu einem Teil meiner Familiengeschichte, ja, dann wird sie zu einer großen Hoffnungs- und Trostgeschichte, auch für mich und mein Leben.

Ich wünsche es Euch allen – und auch mir selber – dass wir im Blick auf Maria immer wieder den unzerstörbaren Mut zum Leben bekommen, der nur aus echtem Glauben und tiefer Liebe erwachsen kann.

Amen.

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Wallfahrtskirche Kaltenbrunn im Kaunertal

Predigt zum Hochfest Maria Himmelfahrt 2015 (Pfr. M. Witti)

 

Meine Lieben,

in meinen Kindertagen wurde bei der Oma abends in der Stube immer gemeinsam der Rosenkranz gebetet. Ich muss gestehen, dass ich davon als Bub nicht immer vollauf begeistert war Eine große Ruhe erfüllte da immer den Raum. Das Licht war ausgeschaltet. Der Duft der großen Wachskerze, die am Tisch brannte, hat sich bis heute tief in meine kindlichen Erinnerungen eingegraben. Ich hab gespürt, wie das meiner Oma und ihrer kranken Schwester, die sie gepflegt hat, immer viel Kraft gegeben hat. Aber erst jetzt, gut 16 Jahre nach Abschluss meines Theologiestudiums, erfasse ich es auch für mein Leben immer mehr:

Betend und zugleich mitten im Leben stehend ist es der unverstellte Blick auf Maria, der mich spüren lässt, was ein glaubendes und liebendes Herz für ein Leben bedeuten kann. Vieles, das Maria widerfahren ist, erlebe auch ich an mir selber, oder an Menschen, die mir begegnen. Vieles, was mich heute beschäftigt, löst sich für mich in der betenden Betrachtung ihres Lebens.

Ich denke etwa an die Flüchtlinge, die in einer meiner Pfarreien in einer Gemeinschaftsunterkunft auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Ein junger Mann aus Syrien zeigte mir auf seinem Handy das Bild eines Babys. Tränen standen in seinen Augen. Auf der Flucht wurde er von Frau und Kind getrennt. Sein größtes Glück ist es, dass er die beiden nun in Schweden in Sicherheit weiß. Seine größte Hoffnung ist es, die beiden irgendwann einmal wieder in die Arme schließen zu können. Aber er weiß nicht, was schon der morgige Tag bringen kann.

Als es im Vorfeld Diskussionen darüber gab, dass es nun auch bei uns hier, mitten in der Wohnsiedlung, so eine Flüchtlingsunterkunft geben soll, hab ich die Menschen bei einer Info-Veranstaltung im Herbst letzten Jahres so gefragt:

„Wie wollen wir heuer Weihnachten feiern? Wie wollen wir neben dem üppig geschmückten Christbaum auf den ärmlichen Krippenstall schauen, mit Josef, mit der Mutter Maria und mit dem Kind, für die niemand Platz haben wollte? Wie werden wir uns fühlen, wenn ich dann im Gottesdienst das Evangelium von der Flucht dieser Heiligen Familie nach Ägypten vorlesen werde?“ Das hat nachdenklich gemacht.

Inzwischen organisieren die Kolpingfamilien wunderbare Begegnungen zwischen den Einheimischen und den Flüchtlingen im sogenannten „Café International“. Eine junge Frau aus Nigeria hat mir dort voller Freude ihr Baby gezeigt. Mitten auf der Flucht hat sie ihm das Leben geschenkt.

Es mag sich jetzt übertrieben fromm anhören, aber ich fühlte mich dabei so, als wäre mir in diesem Moment Maria, die Mutter ohne Obdach, die Mutter auf der Flucht nach Ägypten, mitten im Leben begegnet.

Und Maria begegnet mir noch öfter mitten im Leben. Für vier Kindergärten und zwei Schülerhorte bin ich in meinem Pfarrverband zuständig. Wenn es nicht gerade um Verwaltungs- oder Personalfragen geht, erlebe ich im Gespräch immer wieder auch die Sorgen, die sich Eltern um ihre Kinder machen. Oft erlebe ich auch unsere Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, wie sie gerade Kindern, die keine optimalen Startbedingungen hatten, mit muttergleicher Liebe Kraft fürs Leben geben wollen.

Auch hier meine ich es gar nicht fromm-verkitscht, wenn ich sa-ge, dass mir hier Maria mitten im Leben begegnet. Ich sehe sie, wie sie sich um ihr Kind sorgt. Ich sehe sie, wie sie oft genug voller Sorge seinen Weg begleitet, wenn er verlacht, verspottet und verkannt wird. Ich sehe Maria, wie sie selber ihren Sohn oft nicht mehr versteht, aber dennoch immer zu ihm hält. Ja, Maria begegnet mir immer wieder mitten im Leben…

In der altehrwürdigen Pfarrkirche von Heiligkreuz stehe ich immer wieder einmal still vor einer wunderschönen Pieta, der Mutter mit dem toten Sohn in ihrem Schoß. Geschaffen hat sie der sogenannte „Meister von Seeon“, dessen Namen wir heute nicht mehr kennen. Aber bis heute berührt er mich mit seinem Werk. Im Blick Marias begegnet mir tiefste Trauer. Zugleich aber scheint sie sich auch noch in dieser Situation zu weigern, alle Hoffnung einfach fahren zu lassen.

Es ist ein Bild menschlicher Hilflosigkeit, das mir doch etwas Wichtiges zeigt, gerade wenn ich in dieser Kirche Kinder und junge Menschen auf dem letzten irdischen Weg begleiten muss. Hier begegnet mir dann immer wieder Maria, in den Müttern, denen das Teuerste genommen wurden, das sie hatten, die ein totes Kind betrauern und zu Grabe tragen müssen. Maria, die Schmerzensmutter, sie hat für mich auch heute so viele Gesichter mitten im Leben…

Meine Lieben,

immer wieder begegnet mir Maria mitten im Leben. Ich ahne die schönen wie die schweren Stunden ihres Lebens in vielem, das auch mir widerfährt. Darum glaube ich auch an das, was die Bibel uns zwar nicht überliefert, was das heutige Fest aber vermitteln will, weil die Menschen seit vielen Jahrhunderten glaubend davon überzeugt waren – nicht nur hier, in Kaltenbrunn: Maria, die im Leben ganz und gar auf Gott vertraut und mit Gott gelebt hat, sie ist auch im Tode ganz und gar bei ihrem Gott.

In unserer alten Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Feichten, neben der ich wohne, ist das im großen Deckenfresko bildlich dargestellt. Gerade jetzt, wo diese Bild frisch restauriert wieder in vollem Glanz erstrahlt, sehe ich in diesem Bild mich selbst in das Geheimnis dieses Festes der Aufnahme Mariens in den Himmel mit hineingenommen:

Auf der einen Seite stehen auf Erden noch die ratlosen Apostel, die in ihrer menschlichen Trauer nicht glauben können, dass das Grab Marias plötzlich leer war. Darüber aber steht der Himmel in seiner ganzen Pracht offen. Maria ist dort angekommen, ihr göttlicher Sohn nimmt sie liebevoll in den Arm. Bei diesem Anblick scheint Maria selber mir zu versprechen:

„Mensch, auch für dich steht der Himmel offen, auch dich will Gott selber mit seiner liebevollen Geborgenheit umfangen!“

Amen.

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(Bilder vom Festgottesdienst: Pfarre Kaltenbrunn)

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