Allerheiligen – Auch DU sollst „heilig“ werden

Predigt zum Hochfest „Allerheiligen“ – Rundfunkübertratung aus der Pfarrkirche Heiligkreuz auf Bayern 1

Pfr. Michael Witti

100_0024Meine lieben Schwestern und Brüder,

das ist doch unverschämt! Das ist eine ganz billige Vertröstung, die Jesus hier den Schwächsten anbietet: „Selig, die arm sind… Selig, Trauernden… Selig, hungern und dürsten… Selig, die … verfolgt werden…“ Wie mag sich da ein Flüchtling vorkommen, der bei schlechter Verpflegung in einem bayerischen Aufnahmelager in einem gesetzwidrig überfüllten Raum sitz, gleichzeitig traumatische Erlebnisse nicht aus dem Kopf bekommt und – wie kürzlich geschehen – bei jeder kleinen Anfrage wiederum rechtswidrig von Beamten bedroht wird mit der sofortigen Abschiebung in jene Hölle, die einst seine Heimat war? Wie mag sich bei diesen Worten Jesu ein Mensch fühlen, der an einem frischen Grab steht, der das Liebste in dieser Welt verloren hat? Wie mag sich einer fühlen, der hier bei uns durch alle sozialen Netze und Raster gefallen ist und nun auf der Straße ums tägliche Überleben kämpft? Sind diese Menschen wirklich „selig“ zu preisen?

Oder ist das nicht mehr ein plumper Versuch, sie billig auf das „selige“ Jenseits zu vertrösten, statt ihnen hier und heute zu helfen?

Wäre es nicht Jesus, der hier sprich, läge der Verdacht eines billigen Trostes wohl nahe.

Aber gerade Jesus stand ja ein Leben lang auf der Seite der Verlierer, der Ausgegrenzten, der vom Leben und der Gesellschaft geschlagenen. Ihnen galt immer seine besondere Zuwendung – in Gottes Namen.

Darum kann ich nur vom heilsamen und befreienden Handeln Jesu her, die Seligpreisungen verstehen.

Er sagt ja hier nicht einem Armen oder einem Trauernden einfach so ins Gesicht: „Selig bist du!“

Jesus spricht zur Masse des Volkes, zu einem mehr oder weniger frommen Querschnitt der Gläubigen, die zu jenem Berg gekommen waren, um ihn von Gott sprechen zu hören.

Aber dieser Gott, von dem Jesus dann redete, war ein ganz anderer, als ihn sich wohl viele erwartet hatten.

Es ist ein Gott, der um die Armen, Trauernden, Verfolgten und Benachteiligten weiß. Jesus preist diese Menschen nicht selig, um sie zu vertrösten. Nein. Er ruft vielmehr all denen, die diese schlimmen Erfahrungen nicht machen mussten zu: Wenn ihr Gott finden wollt, dann sucht ihn bei denen, die sonst nur allzu oft und vielleicht auch allzu gerne im Leben überseht.

Unser Papst Franziskus brachte es bei einer Predigt im Mai letzten Jahres eindrucksvoll auf den Punkt, wenn er bei einer Messe anlässlich einer Heiligsprechung sagte:

„Die Armen, die Verlassenen, die Kranken, die Ausgestoßenen sind der Leib Christi.“

 

Meine Lieben,

Jesus Christus, der uns hier in seinem Wort und im Sakrament der Eucharistie begegnet, will uns also in gleicher Weise in all denen begegnen, die Jesus heute seligpreist.

Unzählige Menschen – die offiziell nie zur Ehre der Altäre erhoben wurden, haben Christus in ihrem Leben in den Ärmsten gedient, haben durch ihre schlichte Menschlichkeit seine Liebe in der Welt spürbar gemacht. Sie alle feiern wir heute am Hochfest „Allerheiligen“.

Diese für uns heute oft namenlosen Zeuginnen und Zeugen der Liebe Jesu laden uns aber auch ein, dass wir diesen Weg der Liebe, diesen Weg der „Heiligkeit“ gehen sollen, auch wenn wir selber uns das niemals zutrauen würden.

Wie es dennoch gehen könnte, zeigt mir eine kleine Geschichte:

Ein verehrter Meister klagt einem anderen: „Alle halten mich für erfüllt von Gott. Man sucht mich auf, will meinen Rat. In der Tat, es gelingt mir, vielen den Weg zu weisen. Aber wenn ich still vor Gott stehe, dann bin ich ganz arm, und oft finde ich mich beim Beten spröde und leer. Wie kann ich sicher sein, dass ich mich nicht selber und insgeheim auch die anderen betrüge?“

Der Freund antwortete: „Ein Glas schmeckt nicht den Wein, den es empfängt und den es weitergibt. Ein Glas ‚schmeckt’ dasselbe, ob es leer ist oder gefüllt. Wir wissen oft nicht, wie es mit uns steht. Aber eines können wir tun: uns dem hinhalten, der den Wein des Lebens ausgießt, uns denen hinhalten, die den Wein des Lebens brauchen. Ob wir Gott lieben, das wissen wir vielleicht nicht. Dass er uns liebt, wissen wir. Und das sollen wir den anderen bezeugen: dass Gott sie liebt, dass sie von seiner Liebe leben können. Wer dies aus ganzem Herzen tut, der lebt selbst von Gottes Liebe.“1

Amen.

1 Klaus Hemmerle, Dein Herz an Gottes Ohr, Einübung ins Gebet, München, 3. Auflage 1999, 163

(Foto: Limmer)

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