„Ich hab keine Freude mehr…“ – Predigt 2. Sonntag im Jahreskreis 2016

KanaMeine Lieben,

„Ich hab keine Freude mehr…“ – Es ist ein trauriges Phänomen unserer Zeit, dass sich viele Menschen so fühlen. Ein paar Beispiele können das verdeutlichen:

Karl, 45, Schichtführer in einem großen Industriebetrieb, sagt:

Die Arbeit wird immer mehr. Die Aufträge kommen wie am Fließband. Ohne dauernde Überstunden geht schon lange nichts mehr. Mehr Personal bekommen wir aber trotzdem nichts. „Es gibt keine geeigneten Bewerber…“, heißt es immer nur, wenn ich mal wieder nachfrage. Jetzt sind auch noch einige Kollegen krank geworden. Ich weiß nicht, wie wir das noch schaffen sollen. Das macht so alles keinen Spaß mehr…

Maria, 50, Angestellte in einer Bank, meint:

Was soll ich den Leuten denn noch alles verkaufen? Ständig kom­ men von der Zentrale neue Sachen, die ich an den Mann und die Frau bringen soll. Ich kenn doch die Leute hier. Vieles davon brauchen die doch gar nicht. Aber der Druck wird jedes Jahr heftiger. Was zählt, sind nur noch die Gewinne. Ich will das einfach nicht mehr. Ich hab schon lang keine Freude mehr an meinem Job…

Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Menschen verlieren die Freude an einem Beruf, den sie doch einst voller Engagement und Begeisterung ergriffen haben. Immer mehr wird gefordert, immer weniger Zeit bleibt für das eigentliche Leben, für Familie, Freunde, Hobbies, für einen selbst. Menschen werden heute vielfach nur über das definiert, was sie leisten können. Das beginnt oft schon bei den Kleinsten im Kindergarten oder in der Schule. Schon hier ist bei manchen von Freude kaum noch etwas zu spüren. Später dann im Berufsleben geht es oft ähnlich hart daher, wie wir schon gehört haben. Leistung ist da das einzige, das zählt. Ich habe aber auch schon alte Menschen erlebt, die daran schier zerbrochen sind, weil sie die Leistung nicht mehr bringen konnten, auf die sie doch ein Leben lang so stolz gewesen sind. Das Wort „Altersdepression“ klingt eigentlich viel zu harmlos für das, was Menschen da innerlich durchmachen müssen. Alle diese Menschen machen ein Stück weit die gleiche Erfahrung: Die Freude am Leben kommt ihnen abhanden.

Symbolisch betrachtet erleben sie das, was auch bei der biblischen Hochzeit zu Kana geschehen ist: Da war das Leben ein ausgelassenes Fest, das dort, im orientalischen Raum, gut und gern mehrere Tage lang dauern konnte. Der gute Wein steht hier sinnbildlich für diese Lebensfreude der feiernden Menschen. Doch auf einen Schlag ist alles vorbei. Der Wein geht aus, das Fest wäre damit beendet – von Freude keine Spur mehr. Der Majordomus, der Hausvorstand, der für die Feier verantwortlich ist, bekommt wohl Panik. Der Bräutigam wäre der blamierte. Maria will helfen, spricht Jesus an, aber erhält anfangs eine Abfuhr. Es geschieht auch dann absolut nichts Spektakuläres. Jesus lässt einfaches Wasser bringen. Im Gegensatz zum Wein, dem Zeichen des Besonderen, der Freude und des Festes, ist das Wasser Inbegriff des Alltäglichen, des Normalen, des Banalen. Das Wasser wird dann aber bewusst geschöpft vom Majordomus verkostet. Und der ist schier überwältigt. Er schmeckt besten edlen Wein, er verkostet echte, überwältigende Lebensfreude in den alltäglichen und banalen Wasserkrügen.

Meine Lieben,

Johannes spricht hier von Jesu erstem Zeichen, das er unter den Menschen gewirkt hat. Es geht also nicht um irgendein Wunder, mit dem er dem Bräutigam aus der Verlegenheit geholfen hat. Es geht um ein Zeichen, ein Zeichen dafür, wie Gottes Reich ist und wie Gott uns Menschen darin sieht.

Gott geht es offenbar nicht um das Große und Edle. In seinen Augen zählt nicht unbedingt das Besondere und Außergewöhnliche. Die Wasserkrüge, deren Inhalt dann so wunderbar schmeckt, zeigen mir: Gott weiß um das Besondere und das Wertvolle im Kleinen, im Unscheinbaren. Er weiß um das einmalige und liebenswerte in meinem Leben, ganz egal wie langweilig und unwichtig ich mir selber auch vorkommen mag. Wenn die Hochzeit zu Kana ein Zeichen für Gottes reich ist und wenn ich mich auf dieses Reich Gottes einlassen will, dann muss ich nicht unbedingt immer nur der großen Karriere nachhecheln, dann muss ich nicht immer in der ersten Reihe stehen, dann muss ich nicht ständig mir und anderen beweisen, wie toll ich doch bin.

Gottes Reich stellt eben keine unmenschlichen Forderungen, die meine Kräfte übersteigen, die mir die Freude am Leben rauben. Er will mir zeigen, dass er mich – so wie ich bin – schätzt und liebt und für wertvoll erachtet. So zumindest zeigt es mir das Zeichen, das Jesus in Kana gewirkt hat. Mit den vielen Menschen, denen heute die Freude am Leben abhandengekommen ist, möchte ich darum beten:

Gib uns die Kraft zurück, die wir aufgebraucht haben. Gib uns die Freude am Leben zurück. Wir sind so leer. Lass uns Atem schöpfen, Gott, von deinem Atem. Gib uns wieder das rechte Wort, das wir verloren haben, Gib uns wieder ein Ziel. Wir sind so leer. Lass uns Atem schöpfen, Gott, von deinem Atem.1

Amen.

(Text/Bild: Witti)

 

 

1Bernhard Lang in: Im Dunkel glüht der Funke Hoffnung. Herausgegeben von Claudia Peters. Verlag am Eschbach der Schwabenverlag AG, Eschbach 2010.

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