Ein „Jahr der Barmherzigkeit“ – auch bei uns? Predigt zum 3. Advent

_DSC0226Meine Lieben,

es war in der letzten Woche ein Ereignis, das Kirchengeschichte schreiben könnte, auch wenn es von anderen aktuellen Problemen in den Medien vielfach überlagert war: Die Eröffnung des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit am 8. Dezember, dem Hochfest der unbefleckten Empfängnis Mariens. Gegen Ende einer großen Festmesse auf dem Petersplatz ging Papst Franziskus in die Vorhalle des Petersdoms, an die sogenannte „Heilige Pforte“, die normalerweise immer von innen zugemauert ist. In einem Gebet bat Franziskus um ein „Jahr der Gnade“, ein Jahr der Gottes- und der Nächstenliebe, ein Jahr der Vergebung und des Friedens. Dann stieß er kraftvoll die Heilige Pforte auf. Beim Durchschreiten soll sie die Pilger zu einem persönlichen Neuanfang im eigenen Leben einladen.

Franziskus rief dieses außerordentliche Heilige Jahr aus, weil vor genau 50 Jahren das Zweite Vatikanische Konzil unter Papst Paul VI. beendet wurde und er fand klare Worte. So rief Franziskus zu einer weiteren Öffnung der katholischen Kirche im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils auf. Das Konzil damals ein „neuer Aufbruch gewesen, um auf jeden Menschen dort zuzugehen, wo er lebt: in seiner Stadt, in seinem Haus, am Arbeitsplatz. Wo auch immer er sich befindet, da muss die Kirche ihn erreichen, um ihm die Freude des Evangeliums zu bringen“. Damals habe es eine „wirkliche Begegnung zwischen der Kirche und den Menschen unserer Zeit“ gegeben. Dadurch sei die Kirche aus der „Dürre“ herausgeführt worden, „die sie viele Jahre lang in sich selbst verschlossen gehalten hatte“. Der Weg zu den Menschen muss dabei – wie schon damals im Konzil – ein Weg der Barmherzigkeit sein, so Franziskus.

Meine Lieben,

da würden uns spontan jetzt sicher manche Dinge einfallen, die „die da oben“ ändern müssten, damit unsere Kirche barmherziger und menschennäher werden könnte. Schließlich wissen wir an der „Basis“ ja genau, wo die Leute im Blick auf unsere Kirche der Schuh drückt.

Diese fordernde Betrachtungsweise mag ein Aspekt sein und Papst Franziskus greift diese „heißen Themen“ und Forderungen auch immer wieder auf. Aber dieses Schimpfen und Fordern alleine wäre viel zu wenig.

Sehr bewusst und durchaus auch provokant möchte ich heute fragen: Wo sind WIR noch viel zu oft unbarmherzig in unseren Pfarrgemeinden, in unseren Gruppen und Vereinen, auch als einzelne Christinnen und Christen?

Wir klagen und jammern zwar oft und offenbar auch gerne über die Bänke, die hier bei unseren Gottesdiensten leer bleiben. Wir lamentieren über die Jungen und zwischenzeitlich auch die Alten, die den Weg hier in unsere Kirche bestenfalls noch an Weihnachten oder bei Familienfesten finden, sonst aber nur noch in der Pfarrkartei zu finden sind. Wie oft diskutieren, lamentieren, jammern und klagen wir doch oft darüber.

Aber wollen wir sie denn wirklich alle hier bei uns haben? Sind wir wirklich bereit auch denen hier einen Platz zu geben, die anders leben und denken, als wir es hier in altgewohnter Weise tun? Hätte hier in unserer Pfarrei jemand Platz, der unseren Jahreslauf der von Gemütlichkeit und geselligen Festen geprägt ist, kritisch hinterfragen würde? Hätte jemand – wie Johannes der Täufer – hier bei uns Platz, wenn er uns ermahnen würde, bewusster, nachhaltiger, sozialer und ökologischer in der Welt von heute zu leben?

Oder fragen wir noch weiter: Was tun wir denn, damit Junge und Alte, die vielleicht über viele Jahre keinerlei Kontakt zur Kirche gehabt haben, spüren können, dass sie hier willkommen sind, so wie sie sind – nicht nur so, wie wir sie vielleicht gerne haben würde? Welche „Willkommenskultur“ pflegen wir hier in unseren Pfarrgemeinden? Wo spüren denn die, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, die durch Alter oder Krankheit nicht mehr wirklich am öffentlichen Leben teilnehmen können, dass wir sie nicht vergessen haben?

Alle diese kritischen Fragen stellt uns dieses außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit. Wenn wir nicht nur auf „die da oben schimpfen“, sondern diese Fragen ernst nehmen, kann es ein segensreiches und wahrhaft „heiliges“ Jahr werden. Denn – um ein beliebtes Argument einmal bewusst umzudrehen – ob die Menschen da draußen den Glauben als etwas wohltuendes und befreiendes und die Kirche als ein Stück Heimat erfahren können, das entscheidet sich in erster Linie eben nicht durch „die da oben“, sondern durch uns und unser Leben mit den Menschen hier.

Der Apostel Paulus ruft im Philipperbrief heute auch uns alle genau dazu auf:

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe… Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“

Amen.

(Text: Witti/Bild: Limmer 2014)

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