„Wer ist mein Nächster?“ – Predigt 15. Sonntag im Jahreskreis C – 2016

IMG_0186Meine Lieben,

es gibt Menschen, die scheinen so perfekt zu sein, dass sie einem irgendwo schon wieder gewaltig auf den Geist gehen können, mit ihrer Perfektion. Die scheinen keine Fehler zu machen, immer alles zu wissen und stets und in allem ein Vorbild zu sein. Und wenn man selber so daneben steht, kommt man sich bestenfalls klein, dumm und fehl am Plat­ze vor. Vielleicht kenne auch sie Menschen, mit denen es ihnen so geht. Mir selber sind solche Zeitgenossen seit meiner Schulzeit immer wieder begegnet. Wenn aber schon ein Mensch aus Fleisch und Blut mit seiner Perfektion so nerven kann, wie sehr kann dann vielleicht auch eine Gestalt der Bibel nerven, die ähnlich verklärt und vollkommen präsentiert wird.

Es kann einem mit dem barmherzigen Samariter des heutigen Evangeliums so gehen. So edel sich das alles auch anhören mag, aber wenn ich zurückdenke, an meine Zivildienstzeit, dann hat mich irgendwann im Pflegealltag mit seinem Stress und seinen Belastungen dieses fromme Gerede vom hehren Samariterdienst nur noch gewaltig genervt. Oft erscheint dieser Samariter eher wie mein wandelndes schlechtes Gewissen, oder wie ein stets erhobener Zeigefinger, als wie ein echtes Vorbild. Aber was macht er denn schon groß? Schauen wir noch einmal ganz unvoreingenommen auf den Verlauf seiner Handlungen. Drei Dinge fallen mir da ins Auge:

  1. „Als er ihn sah, hatte er Mitleid.“ – Das unterscheidet ihn vom Priester und vom Leviten. Er schaut nicht weg. Er schaut hin und lässt sich vom Schicksal des anderen berühren. Ich bin kein großer Kenner der griechischen Sprache, aber wenn hier im Deutschen nur vom Mitleid die Rede ist, meint der Originaltext noch mehr. Er spürt geradezu den Schmerz, es zieht ihm seine Eingeweide zusammen, bei diesem Anblick. Er ist ein Mensch, einer, der offene Augen und ein offenes Herz hat.
  2. „er … goss Öl und Wein in seine Wunden“ – Der Samariter gafft nicht nur mitleidig,  er handelt auch ganz praktisch. Er tut, was er kann. Wein desinfiziert, Öl soll Linderung verschaffen. Mit den weni­gen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, will er das Beste aus der Situation machen.
  3. „Dann hob er ihn auf ein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge…“ – Dieser Schritt wird meist übersehen. Der Samariter kennt seine Grenzen. Er weiß, dass sein Leben weitergeht, dass er es weiterleben will und muss. Er hat das seine getan. Nun gibt er den Kranken, in andere, professionelle Hände. So sorgt er für ihn, aber auch für sich selber. So kann er helfen, ohne unter der Last des Helfens zusammenzubrechen.

Meine Lieben,

wenn es um Hilfe für andere geht, dann haben wir oft hohe Ideale, egal ob es pflegebedürftige Angehörige, hilflose Kollegen, Freun­de oder Nachbarn in Not sind. Oft meinen wir, immer ganz und gar für sie da sein zu müssen, nicht mehr an uns selber denken zu dürfen. Gerade bei der Pflege von Angehörigen habe ich Menschen er­lebt, die dabei in den eigenen vier Wänden beinahe zu Grunde gegangen wären. Oft trieb sie nur noch das vermeintlich schlech­­te Gewissen an: Was würden denn die anderen sagen, wenn ich das nicht täte?

Jesus will nicht nur dem Gesetzeslehrer, sondern auch Dir und mir heu­­te einen anderen Weg zeigen: Er will mich einladen, Grenzen anzuerkennen, eine gesunde Eigenliebe zu pflegen. Nur wenn es mir gut geht, kann ich auch zu anderen von Herzen gut sein. Nur wenn ich sensibel bin für meine Gefühle und Empfindungen, kann ich auch mit anderen wirklich mitfühlen. So lädt er mich ein, sorgsam mit mir selber umzugehen, auf die Gesundheit des eigenen Leibes und der eigenen Seele zu achten. Jesu Gleichnis zeigt mir aber auch, wie wichtig es mitunter sein kann, auch einmal manches in so einer sprichwörtlichen „Herberge“ zurückzulassen, um den eigenen Weg wieder gehen zu können. Schon im alten Bund heißt es daher ganz richtig: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele… und: Deinen nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“

Es mag oft nicht einfach sein, bei vielen Verpflichtungen auch in gesunder Weise auf sich selber zu achten, um dann wieder neu für Gott und den Nächsten offen sein zu können. Aber vielleicht legt mir Jesus heute gerade deshalb ans Herz:

„Handle danach, und du wirst leben.“

Amen.

(Text/Bild: Witti)

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